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Happy Family

Happy Family

Titel: Happy Family Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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sterben.»
    «Oh, das tut mir aber leid», versuchte ich die Situation mit etwas Mitgefühl zu entspannen.
    «Das ich dir nicht glauben», erwiderte sie und hielt mir aggressiv das Amulett vor die Nase. Ich hatte das Gefühl, dass sie mich gleich mit umbringen wollte. Entweder indem sie mich mit dem Amulett erschlägt oder indem sie mich mit ihrem Mundgeruch anhaucht.
    In diesem Augenblick tat sie mir wirklich nicht mehr leid. Im Gegenteil, ich ertappte mich bei dem unfreundlichen Gedanken, dass es schön wäre, wenn es mit dem «bald sterben» ganz schnell gehen würde.
    «Ich in drei Tagen sterben, und ihr jammert!»
    Deswegen hatte sie mich von Anfang an so böse angesehen. Sie hielt mich für eine egoistische Heulsuse.
    «Ihr lebt euer Leben nicht. Ihr Leben nicht wert sein!», brüllte sie, und ihr Atem ließ meinen fast vergehen.
    «Ähem … finden Sie nicht, dass Sie etwas überreagieren …?», versuchte ich zu beschwichtigen.
    Ihre Augen begannen nun zu funkeln, und sie rief: «Ich euch verfluchen!»
    «Ähem … wie bitte … was?», fragte ich verängstigt.
    «Ich euch verfluchen!», wiederholte sie, und ihre Pupillen schienen jetzt regelrecht zu blitzen.
    Fee erwiderte tapfer: «Nein, du uns nerven.»
    Anstatt einer Antwort streckte die Alte das Amulett in Richtung Himmel und rief, fast eine Oktave tiefer und drei Klassen unheimlicher: «Este tranaris, este pranduce …»
    «Was soll das denn jetzt?», wollte ich ängstlich wissen.
    «Nici mort …», brabbelte sie weiter. «Niki al franci …»
    «Das ist jetzt nicht Ihr Ernst …»
    «Ich … ich glaube doch», meinte Frank. Seine Stimme klang verängstigt, und er deutete nach oben. Ich blickte hoch und sah: Der Himmel war an sich wolkenlos, und dennoch begannen sich Blitze am Firmament zu formen. Da stammelte ich: «Jetzt reagieren Sie wirklich etwas über.»
    Max starrte mit offenem Mund nach oben. So wie Frank und ich jetzt auch. Fee aber trat zu der Alten, versuchte irgendeine Erklärung für das Spektakel zu finden, so unwahrscheinlich sie auch sein mochte, und meinte tapfer: «Ja, super Show … klasse … ich wusste gar nicht, dass neuerdings Bettlerinnen gemeinsam mit Pyrotechnikern arbeiten … Aber ich bin kein Fan von Special Effects …»
    Als Antwort begannen die Augen der Alten auf einmal grün zu leuchten – wie Smaragde. Die ganzen Augen. Man konnte ihre Pupillen nicht mehr sehen.
    «Von grünen Augen bin ich auch kein Fan …», flüsterte Fee, sichtlich eingeschüchtert.
    Max fand nun seine Sprache wieder und stammelte ängstlich: «Du dumme Hülsenfrucht, das ist keine Pyrotechnik. Das ist okkulte Magie.»
    Die alte Bettlerin unterstrich Max’ These mit weiteren Beschwörungen: «Re spirit, re brut …», rief sie. Lauter. Tiefer. Unheimlicher.
    Die Blitze fanden sich im Himmel zusammen. Zu einer riesigen, zuckenden Feuerkugel. Auch wenn ich als aufgeklärter Westeuropäer nicht an so was wie Zauberei hätte glauben dürfen, sprach doch die Faktenlage eindeutig dafür, dass es sich hier um welche handelte. War die Frau, wie Max sagte, eine Magierin? Oder vielleicht eher eine Hexe? Spielten solche Feinheiten angesichts der Blitze, die über uns hingen, überhaupt noch eine Rolle? War es doch klar, dass diese jeden Augenblick auf uns herunterjagen würden.
    «Rece brut tre animal!»
    Die Feuerkugel hing nun genau über uns im Himmel, und eine schwere, schwarze Furcht ergriff mich. Todesangst. Dabei hatte ich weniger Angst um mich als um meine Kinder. Die Frau hatte ja gesagt, wir waren es alle nicht wert zu leben. Also auch nicht Fee und Max.
    «Verschonen Sie die Kinder …», flehte ich. «Bitte!»
    Frank wiederholte leise: «Bitte …»
    Die Alte sah uns an und lächelte. Es war ein schreckliches Lächeln. Aber immerhin: Sie lächelte auf meine Frage nach den Kindern. Hoffnung keimte in mir auf. Würde die Hexe – sie musste eine Hexe sein, was sonst? – die Kinder wirklich verschonen?
    Die Hexe hörte auf zu lächeln.
    Mein Herz wurde von der Angst um meine Kinder ganz klein. Es fühlte sich an, als ob man es zerquetschen würde. Dies musste das furchtbarste Gefühl sein, das ein Mensch nur haben kann. Es war jedenfalls das Schrecklichste, das ich je in meinem Leben empfunden hatte.
    Die smaragdgrünen Augen leuchteten immer heller, als ob jetzt hinter ihnen eine Kernexplosion stattfinden würde. Die Hexe öffnete den fast zahnlosen Mund und schrie: « SEMPER MONSTER !»
    Die Augen explodierten jetzt

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