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Happy Family

Happy Family

Titel: Happy Family Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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tatsächlich. Smaragdgrüne Strahlen feuerten aus ihnen heraus gen Himmel. Wie Laserstrahlen.
    Fee stammelte leise, verängstigt: «Und davon bin ich erst recht kein Fan.»
    Und Frank sagte mit flatternder Stimme: «Dem kann man nur beipflichten.»
    Die grünen Strahlen aus den Augen der Bettlerin trafen auf die zuckende Feuerkugel, die über uns hing. Unendlich langsam, fast wie in Zeitlupe, löste sich die Kugel unter dem Beschuss des Smaragdlichtes in Blitze auf. In smaragdgrüne Blitze. Die zur Erde feuerten. Vier Stück insgesamt. Sie sausten direkt auf uns zu. Auf jeden von uns einer.
    Bevor sie einschlugen, murmelte Fee – widerspenstig selbst im Moment der Todesangst – noch als Letztes: «Wenn ich ausgerechnet heute sterben muss, werde ich echt tierisch sauer.»

    Wenn ich etwas Zeit und Muße gehabt hätte, darüber nachzudenken, wie es wohl sein würde, wenn man von einem Blitz – egal ob smaragdgrün oder herkömmlich koloriert – getroffen würde, dann hätte ich wohl vermutet, dass sich das Ganze sicherlich anfühlt wie ein enormer elektrischer Schlag. Nur eben einer, an dessen Ende man zu einem Häuflein Asche wurde, das durch den Wind verweht wird und damit zur Erderwärmung durch CO 2 -Ausstoß beiträgt.
    Tatsächlich fühlte es sich überhaupt nicht an wie ein elektrischer Schlag, es war eher, als ob man mich in tausend Einzelteile zerlegt hatte. Nein, nicht «als ob». Es war genau so!
    Ob ich bei der Zerlegung geschrien hatte, weiß ich nicht. Mein Mund war ja auch, wie die anderen Körperteile, für eine kurze Zeit ein Einzelteil. Vielleicht hatte er gesagt: «Ich hätte der Alten den Euro geben sollen.»
    Und dann wurde ich wieder neu zusammengesetzt. Mit neuen Teilen. Zu denen, wie ich kurze Zeit später herausfinden sollte, auch zwei Reißzähne gehörten.
     
    Als ich meine Augen wieder öffnete, lag ich auf dem Boden und sah alles verschwommen. Wie durch Milchglas. Das Einzige, was ich erkannte, war, dass mein linkes Brillenglas wohl einen Riss hatte. Ich nahm die Brille ab, und mit einem Male konnte ich ganz klar sehen. Wie konnte das sein? Ohne meine Gläser war ich zwar nicht blind, aber ein bisschen kurzsichtig schon. Doch nun sah ich deutlich – quasi in HD  –, wie mich die Irre mit ihrem verfaulten Gebiss auslachte. Da hätte ich am liebsten gleich wieder die Brille aufgesetzt.
    Ich wollte gerade zu der Alten hin, sie anbrüllen, was sie mit uns gemacht hatte, da hörte ich Fee panisch schreien: «Ich krieg die Bandagen nicht ab!»
    Mein Mutterherz konnte die Panik in ihrer Stimme nicht ertragen. Ich ließ irre lachende Hexe irre lachende Hexe sein und rannte zu meiner Tochter. Die saß auf dem Bordstein und riss an ihren Bandagen, die anders aussahen als zuvor. Wirkten sie vorher noch wie Mullbinden aus der Apotheke, waren sie nun alt, schmutzig und grau. Als hätten sie unter der Erde gelegen.
    Ich setzte mich zu meiner Tochter an den Wegesrand und sagte: «Es ist kein Problem, Mama hilft dir, mein Schnuffel.»
    Früher, als sie klein gewesen war, hatte ich sie immer Schnuffel genannt. Aber seit sie in die Pubertät gekommen war, sah sie mich bei dem Wort «Schnuffel» immer so böse an, als ob sie gleich Boden-Luft-Raketen einsetzen würde. Doch jetzt war sie so verängstigt, dass ihr das Wort sogar etwas kindliches Vertrauen einflößte.
    Ich versuchte nun, die Bandagen des Kostüms abzumachen. Vergeblich. Es war, als ob ich an ihrer Haut ziehen würde.
    «Du kriegst sie auch nicht ab, du kriegst sie auch nicht ab …», stellte Fee fest und war kurz davor, völlig auszuflippen. Und ich wäre am liebsten mitgeflippt. Aber das durfte ich nicht. Also beschloss ich, sie mit einer Lüge zu beruhigen, nahm sie in die Arme und erklärte: «Das alles hier ist nur ein ganz, ganz böser Traum, Schnuffel.»
    So etwas hatte ich früher auch immer gesagt, wenn sie als kleines Mädchen nachts aufgewacht war, weil sie einen Albtraum hatte. Dann ließen wir sie zu uns ins Elternbett krabbeln, wo sie sich dann manchmal über Franks Stressblähungen beschwerte und Dinge sagte wie: «Oh Papa! Ich hätte jetzt echt gerne einen Schnupfen.»
    «Das ist ein Traum …?», fragte Fee ungläubig in meinen Armen.
    «Ja, das alles ist ein Figment deiner Imagination.»
    «Klingt gut … was immer auch ein Figment ist.»
    «Das ist …», hob ich zu einer Erklärung an.
    «… mir wurscht», vollendete sie meinen Satz und kuschelte sich bei mir ein.
    Das letzte Mal hatte sie sich vor Jahren

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