Hard News
derart über Sutton sprechen sollte, wenigstens nicht ihm gegenüber.
Maisel antwortete nicht. »Ist Ihnen klar, was das bedeutet?«, fragte er. »Das mit Hopper?«
»Ich weiß nur, dass Piper sagte, er sei Chef des Senders gewesen. Unser Boss.«
Maisel drehte sich um und wühlte sich durch einen Stapel Hochglanzmagazine in seinem Regal. Er fand eines und gab es ihr. Es handelte sich allerdings um keine Zeitschrift, sondern um einen Jahresbericht der Muttergesellschaft des Senders. Maisel beugte sich vor, schlug ihn auf einer Seite nahe der Mitte auf und tippte mit einer dicken gelben Fingerspitze auf eine Abbildung. »Das ist Lance Hopper.«
Lawrence W. Hopper, leitender Vizepräsident, las Rune. Sie sah einen hoch gewachsenen Geschäftsmann mit Hängebacken in dunklem Anzug und weißem Hemd. Er trug eine rote Fliege. Er war Mitte fünfzig. Gut aussehend auf eine geschäftsmännische Art. Steinharte Augen.
»Begreifen Sie jetzt, was Sie gemacht haben?«, sagte Maisel.
»Nein, nicht so richtig.«
Maisel berührte mit der Zunge seinen Mundwinkel. Er spielte mit einer seiner Pfeifen und legte sie wieder zurück.
»Boggs wurde verurteilt, weil er einen Mann umgebracht hat, den ich kannte und mit dem ich zusammengearbeitet habe. Einen Mann, den Piper kannte und mit dem sie zusammengearbeitet hat. Lance konnte ein echter Mistkerl sein, aber er war ein begnadeter Journalist, und er hat den Sender von unten nach oben gekehrt. Er gehörte zum Pantheon der Götter des Fernsehjournalismus wie Walter Cronkite, David Brinkley und Mike Wallace. So gut war er. Alle hatten Respekt vor Lance Hopper. Sie hätten den Beifall im Nachrichtenraum hören sollen, als Boggs wegen Mordes an ihm verurteilt wurde. Und jetzt kommen Sie und sagen, Boggs sei unschuldig. Das wird Probleme hier geben. Loyalitätsprobleme. Und es könnte Ihnen und jedem, der mit dem Projekt zu tun hat, eine Menge Scherereien einbringen.«
Maisel fuhr fort. »Schauen Sie, ich habe Boggs selbst interviewt. Er ist ein Penner. Er hatte nie im Leben einen anständigen Beruf. Alle waren sich mit den Geschworenen einig, dass er es getan hat. Wenn Sie Recht haben, und er ist unschuldig, dann machen Sie sich hier ziemlich unbeliebt. Und vom Richter und vom Staatsanwalt werden Sie auch keine Preise bekommen. Und wenn Sie sich irren, dann machen Sie sich auch ziemlich unbeliebt, allerdings nicht hier, weil Sie nämlich hier nicht mehr arbeiten. Ist Ihnen jetzt klar, was das alles bedeutet?«
»Aber es geht doch nicht um Beliebtheit. Wenn er unschuldig ist, ist er unschuldig.«
»Sind Sie so naiv, wie Sie scheinen?«
» Peter Pan ist mein Lieblingsstück.«
Maisel lächelte. »Vielleicht ist es ja besser, Mumm zu haben als Grips.« Rune roch süß-saueren Whisky in seinem Atem. Ja, Maisel entsprach eindeutig dem Bild eines Journalisten alten Schlages.
»Wieso suchen Sie sich nicht einen netten Verbrecher, der unschuldig im Gefängnis sitzt, und lassen ihn da raus? Wieso müssen Sie einen Kreuzzug für dieses Arschloch veranstalten?«
»Unschuldige Arschlöcher sollten genauso wenig im Gefängnis sitzen wie unschuldige Heilige.«
Was ihr ein offenes Lachen eintrug. Rune sah, dass er nicht lachen wollte, aber er tat es. Er musterte sie eine Weile. »Piper hat mich angerufen und gesagt, hier sei ein, nun ja, ein gieriges junges Ding vom Lokalsender, das …«
»Hat sie mich so beschrieben? Gierig?«
Maisel bohrte mit einem silbernen Instrument in seiner Pfeife, das aussah wie ein großer, platt geklopfter Nagel. »Nicht ganz. Aber lassen wir es dabei. Und als sie mir das sagte, dachte ich: ›Oh, Junge, noch eine.‹ Gierig, ekelhaft, ehrgeizig. Aber wieder ohne Grips.«
»Ich habe Grips.«
»Ich denke, das könnte stimmen«, sagte Maisel. »Und eins muss ich Ihnen sagen – obwohl ich denke, dass er schuldig ist, lief der Fall Boggs doch ein bisschen zu glatt. Zu schnell.«
»Haben die Medien ihn vorverurteilt?«, fragte Rune.
»Die Medien vorverurteilen jeden Beschuldigten. Das ist eine Konstante. Nein, ich rede von den Bullen und dem Rechtssystem … Ich denke, das könnte – könnte – eine Story wert sein. Wenn Sie es richtig machen.«
»Das kann ich. Wirklich.«
»Piper sagte, Sie seien Kameramann. Verfügen Sie über weitere Erfahrungen?«
»Ich habe eine Dokumentation für PBS gemacht.«
»Nichtkommerzielles Fernsehen?«, fragte er verächtlich.
»Nun ja, Current Events ist etwas völlig anderes als PBS. Die Produktion der Sendung kostet über
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