Hard News
Journalismus. Ist das angekommen?«
»Jawoll, Sir.«
»Gut. An die Arbeit.«
Rune blinzelte. »Das war’s? Ich dachte, Sie würden mir, na ja, sagen, was ich machen soll oder so was.«
Maisel wandte sich zum Telefon. »Okay«, sagte er abrupt, »ich sag Ihnen, was Sie tun sollen: Sie denken, da draußen wartet ’ne Story? Na los, holen Sie sie.«
»Das sin’ nich Sie.«
»Klar bin ich’s. Nur dass ich was mit meinen Haaren gemacht habe, nämlich Henna benutzt und so ’n Purpurzeug, und dann hab ich Schaum genommen, dass es stachelig wird …«
Der Wächter vor dem Manhattaner Büro der Gefängnisverwaltung des Staates New York betrachtete sich Runes eingeschweißten Ausweis vom Sender, an dem eine Gliederkette baumelte. Er zeigte ein Bild von ihr mit einer spechtartigen, glänzenden Frisur und mit einer runden farbigen Brille à la John Lennon.
»Das sin’ nich Sie.«
»Nein, echt.« Sie fischte die Brille aus der Tasche und setzte sie auf, um sich dann in die Haare zu greifen und sie gerade nach oben zu ziehen. »Sehen Sie?«
Der Wächter blickte einen Augenblick zwischen Ausweis und Person hin und her, dann nickte er und gab ihr den Ausweis zurück. »Wenn Se meine Meinung wissen wollen, lassen Se das Zeug aus ’n Haar’n raus. Das kann nich gesund sein.«
Rune zog sich die Kette über den Kopf. Sie ging ins Hauptbüro, schaute sich die Informationstafeln an, die Normschreibtische, die verbeulten Wasserspender. Es sah aus wie ein Ort, wo Leute, die für Gefängnisse zuständig waren, arbeiten sollten: klaustrophobisch, farblos, stumm.
Sie dachte über den armen Randy Boggs nach, der seit drei Jahren in seiner winzigen Zelle schmachtete.
Das Erste, was man denkt, ist: Verdammt, ich bin ja immer noch da …
Ein hochgewachsener Mann in zerknautschtem cremefarbenem Anzug kam an ihr vorbei und sah ihren Ausweis. Er blieb stehen. »Sind Sie von der Presse?«
Rune verstand ihn zuerst nicht. »Ach, Presse. Klar. Ich bin Reporterin. Current Events. Sie wissen schon, die Nachrichten …«
Er lachte. »Jeder kennt Current Events. «Er streckte die Hand aus. »Ich bin Bill Swenson, Leiter der Pressestelle hier.«
Sie schüttelte ihm die Hand und stellte sich vor. »Ich schätze, ich suche nach Ihnen«, sagte sie. »Ich muss mit jemandem wegen einem Interview mit einem Häftling sprechen.«
»Für eine Story?«
»Hm-mh«, sagte Rune.
»Kein Problem. Aber das läuft nicht über uns. Sie bitten direkt beim Büro des Direktors um eine Besuchserlaubnis, und dann wenden Sie sich an den Häftling selbst, um einen Termin zu vereinbaren, wenn der Direktor zustimmt.«
»Das ist alles?«
»Ja«, sagte Swenson. »Welche Anstalt?«
»Harrison.«
»Harte Sache, hm?«
»Ja, ich denke schon.«
»Um welchen Häftling handelt es sich?«
Sie zögerte. »Also …«
»Wir müssen das wissen«, sagte Swenson. »Keine Sorge – ich werd’s nicht ausplaudern. Ich bin nicht dahin gekommen, wo ich bin, indem ich Journalisten verarscht habe.«
»Okay«, sagte sie. »Es geht um Randy Boggs. Er wurde wegen Mordes an Lance Hopper verurteilt.«
Swenson nickte. »Ah, klar, ich erinnere mich an den Fall. Vor drei Jahren. Hopper hat für Ihr Unternehmen gearbeitet, stimmt’s? Moment, er war Chef des Senders.«
»Das stimmt. Die Sache ist nur die, dass ich glaube, dass Boggs unschuldig ist.«
»Unschuldig, ach wirklich?«
Rune nickte. »Und ich werde versuchen zu erreichen, dass der Fall wieder aufgenommen und er freigelassen wird. Oder einen neuen Prozess bekommt.«
»Das gibt eine Wahnsinnsstory.« Swenson blickte die Flure auf und ab. »Ganz im Vertrauen?«
»Klar.« Rune überlief ein erregender Schauer. Hier war ihre erste vertrauliche Quelle.
»Jedes Jahr werden in New York Dutzende von Menschen unschuldig verurteilt. Manchmal kommen sie frei, manchmal nicht. Ein schauerlicher Gedanke, dass so etwas passieren kann.«
»Ich glaube, es würde ein gute Story abgeben.«
Swenson machte sich durch den Flur zurück zum Ausgang auf. Rune folgte ihm. »Am Haupttresen bekommen Sie die Telefonnummer des Direktors von Harrison«, sagte er. Er geleitete sie durch die Sicherheitssperre zur Tür. »Ich bin froh, dass ich Sie getroffen habe«, sagte sie.
»Viel Glück«, sagte er. »Ich freu mich schon auf die Sendung.«
5
Als Rune die Gangway zu ihrem Hausboot hochstieg, das sanft auf dem Hudson River westlich von Greenwich Village dümpelte, hörte sie von drinnen das Weinen eines Kindes.
Ihre Hand zögerte auf
Weitere Kostenlose Bücher