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Hard Rock Vampir

Hard Rock Vampir

Titel: Hard Rock Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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zerrte mich mit seiner über die Lautsprecher dröhnenden Stimme aus den Gedanken. Er befahl mir auf autoritäre Weise, den Song noch mal zu spielen. Es war der dreiundzwanzigste Versuch und inzwischen so blutleer, so ausgesaugt, dass er sich anhörte wie Twinkle Little Star.
    »Du hast genug Auswahl«, revoltierte ich. »Der Drive ist raus!«
    Und dann erzählte er mir einen Knopf an die Backe, was er für Motivation hielt, aber das Gegenteil bewirkte und ich knickte ein.
    Ich beschloss, das Spiel noch einmal mitzumachen, schließlich zahlte die Plattenfirma reichlich Dollars für das Studio. Sie wollten sogar Tom durch einen anderen Drummer ersetzen, Tom, den ich hatte töten müssen. Ich weigerte mich. Offiziell war Tom verschwunden. Vielleicht mit einer Frau oder so … Ich kannte die Wahrheit! Tom war genauso unersetzlich wie Keith Moon bei The Who oder Bonham bei Led Zep . Außerdem würde ich mich mit der Band im Proberaum, Studio oder auf der Bühne stets an die grausigen Momente erinnert, in denen mein bester Freund gezwungenermaßen in meinen Armen starb.
    Irgendwann würde ich Major Lockheed dafür büßen lassen, soviel stand fest.
    Aber bis dahin war noch Zeit, auch wenn ich nicht, wie es sich für einen anständigen Vampir gehörte, unsterblich war. Als Zwitterwesen aus Mensch und Vampir, geschaffen aus der DNA des Urvampirs Christopher, hatte ich eine ähnliche Lebensspanne zu erwarten wie ein Mensch, was ich während meiner Gefangenschaft in Hangar IV erfuhr. Dort wollte man mir mein weißes Blut nehmen, um daraus einen Supersoldaten zu züchten, blitzschnell, stark, mit der Fähigkeit, sich in ein Flugtier zu verwandeln. Dazu kam es nicht, aber das ist eine andere Geschichte. Eine ziemlich wüste Geschichte, um ehrlich zu sein. Sie ist Vergangenheit.
    Lebe ich in der Vergangenheit? Nein! Na eben.
    Meine Gitarre hatte sich schon wieder verstimmt. Kein Wunder. Dreiundzwanzig Versuche. In meinem Kiefer knisterte es zornig, ein übles Zeichen, denn meine Reißzähne machten sich selbständig. Das durfte mein so genannter Produzent nicht sehen. Er würde vermutlich denken, ich hätte ihm einen schlechten Trip in den Tee geworfen. Also schloss ich die Augen, atmete ruhig, und beruhigte mein pochendes Herz. Ich beobachtete meine Fingernägel, die sich schneller als mir lieb war, in Klauen verwandeln konnten. Etwas länger war gut für’s Fingerpicking, zu lang war auffällig.
    Ich kriegte mich in die Reihe, mir gelang ein Lächeln und ich sagte: »Okay, Joe. Probieren wir es noch einmal. Ich werde gut sein, verteufelt gut.«
    »Yepp, Mann«, rief er hinter der Scheibe und sprang auf und ab.
    Ich stimmte den Song an.
    Eve, My Sweethard, Devil’s Daughter.
    Es begann mit D-Dur und einem vertrackten Picking, das ich mir bei Nick Drake abgehorcht hatte. Sehr romantisch, sehr originell.
    Ich schloss erneut die Augen, ließ mich in den Song fallen, zupfte wie auf Wolken schwebend, zuerst das Muster, später würde ich singen, aber zuerst die Melodie, den wunderbaren hallenden Ton, den Sound, den ich haben wollte, nicht klinisch rein, sondern erdig.
    Ich war zufrieden und noch einmal würde ich es nicht spielen.
    Ich endete und wartete auf Joes Kommentar, während Bilder vor meinen Augen in Nebel versanken und ich in die Realität zurückkehrte.
    Joe sagte nichts.
    Hatte es ihm die Sprache verschlagen? Es würde mich nicht wundern. Ich war verdammt gut gewesen.
    Als ich die Augen öffnete und zur Scheibe blickte, war mir klar, warum er schwieg.
    Er stand dort ohne Kopf.
    Sein Rumpf wankte.
    Aus seinem Hals pulste Blut wie aus einem Wasserschlauch, spritzte an die Decke, tropfte auf das Mischpult, dann fiel er um, verschwand aus meinem Blickfeld, und alles blieb still.

2

    Ein Vampir erschrickt sich nicht so schnell wie ein Mensch. Das hat etwas mit seinem Metabolismus zu tun. Außerdem haben Existenzen wie ich Dinge gesehen, die ein Mensch nur schwer verkraften würde, was damit beginnt, süßes Blut zu trinken und damit aufhört, als Rabe Feinden ins Auge zu kacken.
    Doch nun war ich erschrocken.
    Joe war ein Schwätzer gewesen, doch deshalb hätte er seinen Kopf nicht verlieren müssen. Außerdem sah das viele Blut, welches an die Trennscheibe zum Mischraum gekleckst war, ekelig aus, sogar für mich.
    Ich warf die Gitarre weg und sprang auf. Wie ein Blitz riss ich die Tür auf und stürmte in den Raum, der beherrscht wurde von einem Gefühlt-1000-Kanal-Mischpult, mehreren Macs und Desktops und Abhörboxen von

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