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Harka der Sohn des Haeuptlings

Harka der Sohn des Haeuptlings

Titel: Harka der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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dem Zauberzelt kam. Der Häuptling rief noch zwei Krieger heran, »Alte Antilope« und den »Raben«, und ging mit diesen und Sonnenregen zu seinem eigenen Tipi. Das ergab für Harka die Gelegenheit, die kommende Besprechung mit anzuhören. Im väterlichen Zelt durfte er sich immer aufhalten, wenn er nicht geradezu hinausgeschickt wurde.
    Er verließ daher Tschetan, lief schnell im Kreis um das Häuptlingszelt, um nicht zu sehr aufzufallen, und schlüpfte noch vor der Gruppe der Krieger durch den Zeltschlitz hinein. Im Zelthintergrund setzte er sich zu Mutter, Großmutter und Geschwistern.
    Mattotaupa und die drei Krieger traten ein. Der Häuptling eröffnete keine feierliche Beratung. Die Männer stopften nur die kurzen Pfeifen, die zu einer kurzen Besprechung paßten.
    »Ihr wißt, worum es geht«, begann Mattotaupa. »Wir vermuten alle, daß es Pani sind, die uns umspähen. Wenn eine Schar dieser Spürnasen und Kläffer in unserer Nähe ist, werden sie uns angreifen.« – »Sie werden sich blutige Nasen holen, und ihre Skalpe hängen bald an unseren Stangen!« prahlte Alte Antilope. Mattotaupa warf ihm einen strafenden Blick zu, denn es war nicht üblich, daß der an Ansehen Geringste im Beratungskreise als erster dem Häuptling antwortete. Alte Antilope schaute beschämt zu Boden.
    »Wir müssen auf einen Kampf gefaßt sein«, sprach nun der Rabe. »Vielleicht werden diese stinkenden Ratten uns schon beißen wollen, noch ehe das Kriegsbeil nach der Sitte der Väter ausgegraben ist. Wenn sie in unseren Jagdgründen umherschwärmen, so wissen sie, daß auch wir nach jedem von ihnen, den wir erblicken, den Pfeil senden.«
    »So ist es«, bestätigte Alte Antilope. »Wenn wir auf Pani treffen, werden nicht die Zungen, sondern die Pfeile und Speere sprechen. Ich frage dich aber, Häuptling Mattotaupa: Warten wir hier in diesem Lager, bis die Feinde kommen, oder ziehen wir weiter?«
    »Wir ziehen weiter!« rief der Rabe zornig. »Sind wir nicht in den Jagdgefilden der Dakota? Sollen wir uns vor einigen frechen Kojoten schon verkriechen, noch ehe wir überhaupt wissen, ob sie da sind? Ist das die Art der Söhne der Großen Bärin?«
    Alte Antilope runzelte die Stirn. »Du redest vorschnell, Rabe. Was sagt der Geheimnismann, Mattotaupa? Du hast mit ihm gesprochen.«
    »Ja«, bestätigte der Häuptling, »Sonnenregen und ich haben mit Hawandschita gesprochen. Er rät uns, weiterzuziehen und noch mehr Späher auszusenden.«
    »Und was denkst du selbst, Mattotaupa? Wenn wir ziehen, sind unsere Weiber und Kinder leichter anzugreifen als in den Zelten.«
    Sonnenregen nahm das Wort. »Wir sind genug Krieger, um die Frauen und Kinder zu schützen. Mich juckt es, die Pani zu bestrafen, wenn sie frech genug sind, in unsere Prärien zu kommen. Laßt uns weiterziehen!«
    Die Meinung drang durch. Alle brannten darauf, ihr eigenes Recht ohne Rücksicht wahrzunehmen und den Pani eine Lehre zu erteilen, wenn diese es überhaupt wagten, sich sehen zu lassen.
    »Wir ziehen also weiter!« schloß Mattotaupa.
    Alte Antilope verließ das Tipi, um draußen als Herold allen Zelten laut zu verkünden, was beschlossen worden war.
    Mattotaupa wählte unterdessen sechs Späher aus, drei zu Pferde, um die größtmögliche Schnelligkeit zu entwickeln, und drei zu Fuß, die sich leichter verbergen konnten. Sonnenregen, Tschetan und Schonka waren es, die zu Fuß als Kundschafter ausgesandt wurden. Der Rabe, sein ältester Sohn und ein weiterer Krieger machten sich zu Pferde auf den Weg.
    Untschida löste die erste Zeltplane. Die Frauen begannen daraufhin, die Tipi abzuschlagen. Die Drosseln, ständige Begleiter der Pferdeherde, flüchteten, als die Jungen und Mädchen die Pferde holten. Mit jenen drei Spähern, die schon als Ablösung vorausgesandt waren, befanden sich nun neun Männer und Burschen auf Kundschaft. Das waren, der gefährlichen Situation entsprechend, ungewöhnlich viel.
    Bald nachdem die erste Zeltplane geflattert hatte, war auch der ganze Zug wieder in Bewegung. Über allen Wandernden lag eine unausgesprochene Spannung. Jeder Krieger hatte zwei, drei Pfeile aus dem Köcher genommen und sie als Bündel zur Hand, um sofort anlegen zu können, wenn ein Feind auftauchte. Hin und wieder schwenkte einer die Hieb- und Wurfwaffe, die aus einer umgebogenen, mit den Enden zusammengebundenen Weidengerte bestand; in der Weidenschlinge war ein eiförmiger Stein befestigt. Ein Schlag mit dieser elastischen Keule wirkte tödlich, wenn er den Kopf

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