Harka der Sohn des Haeuptlings
die Bärenbande würde noch in der Nacht flußaufwärts ziehen, um den Pani auszuweichen. Nur ein einziges Zelt sollte an der Stelle zurückbleiben, an der man jetzt lagerte, das Zelt des Zaubermannes. Hawandschita hatte nach dem »Spruche der Geister« die Aufgabe, hier zu bleiben, um ganz allein die Büffelherden und das Ungeheuer zu beschwören. Er wollte nichts weiter bei sich behalten als sein Zelt, die fünf Pferde, die zu dem Zauberzelt gehörten, und als Gehilfen – Schonka.
Harka hörte den Herold diese Botschaft zweimal ausrufen.
Es war kein Mißverständnis möglich.
Ohne ein weiteres Wort machten sich die Zeltbewohner daran, den verkündeten Beschluß auszuführen. Harka hatte dabei nicht viel zu tun. Er ging zur Herde, um sich seinen Schecken zu holen, den er zu reiten pflegte, und um dem Vater dessen Pferd zu bringen. Er vermied es dabei, Tschetan zu begegnen, denn er wollte dem älteren Freund keine Fragen stellen, die dieser nicht beantworten durfte. Aber die Gedanken des Jungen kreisten immerzu um den einen Punkt: Was ist aus Schwarzhaut Kraushaar geworden?
Die erste losgelöste Plane des Häuptlingszeltes hatte schon in dem unermüdlichen Wind geflattert, alle Zelte wurden abgeschlagen, die Rutschen mit Hilfe der Zeltstangen und Planen hergestellt, die Lastpferde herbeigeführt. Es war das vertraute Bild des Aufbruchs einer wandergewohnten Schar. Harka hielt zu Pferde am Flußufer. Er hielt an der sandigen Uferstelle, an der sein schriftlicher Gedankenaustausch mit Schwarzhaut Kraushaar ein so jähes Ende gefunden hatte.
Die Jungen Hunde wußten alle, was sie beim Beginn einer neuen Wanderung zu tun hatten, und Harka brauchte sich nicht um sie zu kümmern. Er schaute unverwandt nach dem Zauberzelt, das als einziges stehenblieb, und nach der Stange vor dem Eingang, an der zwischen Tierhäuten das Mazzawaken hing. Einmal sah er Schonka aus- und eingehen. Gehilfe des Zaubermannes zu sein galt als eine große Ehre. Ob Hawandschita den Schonka zu seinem Nachfolger erziehen wollte oder ob er ihn sich nur jetzt als Hilfe gewählt hatte, wußte noch niemand. Aber Harka spürte, wie alle Mitglieder der Bärenbande den alten Zauberer bewunderten, der es wagte, allein mit einem jungen Burschen in der weiten Wildnis zu bleiben angesichts der Feinde und drohender Ungeheuer. Das war ein einzigartiges Unternehmen.
Tschetan fand sich bei Harka ein.
»Es geschieht viel Seltsames«, sagte er zu dem jüngeren Freund. »Die Alten sagen, daß es der Zauber der Höhle in den Schwarzen Bergen ist, der uns verfolgt.« »Hawandschita will selbst einen großen Zauber ausführen«, antwortete Harka innerlich abwehrend, verstockt gegen den Freund.
»Das waren seine Worte, ja. Einen großen Zauber will er ausführen, Antilopen sollen kommen, die wir jagen können, Büffelherden sollen uns begegnen, und wir sollen fröhlich tanzen am Wasser des Pferdebachs, zu dem wir hinziehen werden, ohne daß die Pani uns verfolgen.«
»Ein solcher Zauber wäre wirklich groß«, erwiderte Harka, »und wenn es Hawandschita gelingt, ihn auszuführen, wird er als ein gewaltiger Zaubermann angesehen werden.«
Tschetan sah den Knaben fragend an, da dieser in einem doppeldeutigen Tone gesprochen hatte, aber Harka wollte nichts weiter sagen. Er wendete sein Pferd. Der Wanderzug hatte sich schon gebildet, Mattotaupa und Sonnenregen, dessen Wunden langsam abheilten, schritten an der Spitze. Harka lenkte sein Tier in die Nähe Untschidas und Uinonahs. Er sah sich nicht mehr nach Tschetan um.
Der große Zauber
Ohne Rast zog die Bärenbande die ganze Nacht hindurch am Nordufer des North-Platte flußaufwärts. Das Wasser war weiter gesunken, es rauschte leise dahin, und die flutenden Wasser spiegelten das Mond- und Sternenlicht. Der Nachthimmel war schon voller Duft, und das junge Gras nahm alle Fährten mit großer Deutlichkeit auf. Die Kette des Felsengebirges am fernen Horizont hatte an Schimmer verloren, viel Schnee war schon weggeschmolzen, und Gipfel an Gipfel starrte jetzt schwarz in die Nacht, getrennt nur hin und wieder von einem noch glänzenden Gletscher. Die Pferde liefen gut, denn sie hatten sich satt fressen können. Die hungrigen, abgemagerten Reiter spähten durch die Dunkelheit, lauschten auf jedes kecke Kojotengekläff, das die Hundemeute nur mit mißmutigdrohenden, abgerissenen Lauten beantwortete, und horchten, ob nicht ein Späherzeichen gegeben würde. Aber es blieb alles ruhig. Die Prärie war umfaßt
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