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Harka der Sohn des Haeuptlings

Harka der Sohn des Haeuptlings

Titel: Harka der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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hingelaufen war. Vielleicht nach der Furt? Harka musterte das Ufer, Fußbreit für Fußbreit. Wer Spuren finden wollte, mußte sich Zeit nehmen.
    Auf einmal stand jemand neben Harka. Der Junge war so in das Suchen vertieft gewesen, daß er fast erschrak. Als er den Kopf wandte, erkannte er Uinonah, die zu ihm gekommen war.
    »Was willst du«, sagte der Junge unwirsch. »Du zertrittst mir nur die Spuren.«
    »Du brauchst nicht zu suchen«, erwiderte Uinonah leise und mit einem Stolz, der dem Jungen in diesem Augenblick zum erstenmal auffiel! Uinonah war jünger als Harka, aber die Mädchen reiften schneller, und bald war Uinonah kein Kind mehr. Das vom Hunger schmal gewordene Gesicht hatte eine eigene mädchenhafte Würde angenommen. Harka bemerkte es erst in dieser Stunde. Er fragte nun auch nicht zurück, sondern betrachtete die Schwester mit einem Gefühl der Beschämung.
    »Harka, ich kann dir sagen, wo Schwarzhaut Kraushaar zu finden ist.« Uinonah machte eine Pause.
    »Du allein kannst es sagen?« fragte Harka jetzt.
    »Ich allein will es dir sagen.«
    »So sprich.« Harka schaute die Schwester nicht mehr an. Seine Aufregung war groß, Uinonah aber sollte glauben, daß er ganz ruhig sei.
    »Ich will es dir sagen, obgleich alle anderen schweigen, wie Hawandschita uns geboten hat.«
    »Hawandschita euch geboten hat …?« Harkas Stimme zitterte leicht, während Uinonahs Art zu sprechen gleichmäßig und von nichts berührt schien.
    »Du sollst alles wissen, Harka. Als der Vater dich mit ins Zelt nahm und euch alle nachschauten, sprang Schwarzhaut Kraushaar plötzlich in den Fluß. Ich sah es, und außer mir sah es nur Hawandschita. Der Knabe tauchte, und als er wieder auftauchte, winkte ihm Hawandschita mit seinem Zauberstab, daß er heraus und zu ihm herkommen müsse Der Knabe hatte große Angst vor dem Zauber. In furchtbarer Angst schwamm er zum Ufer und kam zu Hawandschita. Schwarzhaut Kraushaar trug in seiner Hand den sonnenglänzenden Kiesel. Ich habe es gesehen, obgleich er ihn zu verbergen suchte.«
    Harka zog die Brauen zusammen und starrte die Schwester an. »Wie soll das möglich sein? Das breite Wasser, das kleine Korn – wie kann er es gefunden haben?«
    »Harka, es muß ein Zauber Hawandschitas und seiner Geister gewesen sein, anders kann ich es mir auch nicht erklären.« »Und dann?« fragte Harka weiter, ohne rechten Ton in der Stimme.
    »Dann nahm Hawandschita den Kiesel an sich. Du hast ja aus dem Mund unseres Vaters gehört, daß es ein böser Zauberstein ist, dieser Kiesel, und also gehört er dem Zaubermann und ins Zauberzelt.«
    »Uinonah – was ist aus Schwarzhaut Kraushaar selbst geworden?«
    »Hawandschita hat ihn mit in sein Zelt genommen. Mehr weiß ich nicht. Vielleicht wird er ihn zu seinem Zaubergehilfen machen, oder er wird ihn opfern.«
    Harka antwortete darauf nichts mehr. Was die Schwester berichtete, war ihm unheimlich. Diese unheimliche Begebenheit also war es, die selbst Tschetan vor ihm verschwiegen hatte. Was machte Hawandschita mit dem Fremdling und dem Zauberkorn? Warum sollte niemand darüber sprechen? Würde Uinonah jetzt ein Unglück zustoßen, weil sie trotz des Verbots gesprochen hatte? Harka wollte niemandem verraten, daß Uinonah ihm mehr Vertrauen schenkte als dem Geheimnismann. Er wollte darüber schweigen, allen gegenüber. Nicht einmal dem Vater würde er etwas sagen, wenn Uinonah es nicht selbst tat. Nicht einmal dem Vater? Als Harka diesen Entschluß durchdachte, schauerte er leicht zusammen. Mit dem Goldkorn war etwas Böses ins Dorf gekommen.
    Harka warf mit verwirrten Empfindungen einen Blick nach dem Tipi des Zauberers. An der Stange vor dem Eingang hing zwischen Tierhäuten das Mazzawaken. Was mochte jetzt im Innern dieses Zeltes vorgehen, in dem sich Harkas dunkelhäutiger Gefährte bei dem alten Zaubermann befand? Kein Ton drang durch die schweren Büffelhautplanen heraus.
    Es ging dem Abend zu. Die Sonne sank zum westlichen Horizont und breitete ihr Goldrot über den Fluß, dessen Wasser wieder klarer geworden war, und über die Wiesen, auf denen das Gras seit den letzten Tagen kräftig-grün hervorsproß; schon hatten sich bunte Blüten geöffnet, und die Prärie war zu einer köstlichen Weide geworden. Bei den Pferden, die voll Begier gefressen hatten, sangen die Drosseln jetzt ihr Abendlied, und die Mustangs drängten sich angesichts der sinkenden Sonne, des kühlen Abendwinds und der im Osten schnell heraufziehenden Dunkelheit enger zusammen.
    Auf

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