Harka der Sohn des Haeuptlings
dem Dorfplatz ging die Beratung der Krieger ihrem Ende zu. Mattotaupa, der sie eröffnet hatte, beschloß sie auch, und der Kreis löste sich.
Hawandschita hatte an den Beratungen der Männer nicht teilgenommen. Das war ungewöhnlich, und es war allen aufgefallen. Der Zauberer befand sich in seinem Zelt. Dunkle und schrille Töne klangen in regelmäßigem Wechsel aus dem Tipi heraus, gedämpft durch die schweren Büffelhautplanen und dadurch noch geheimnisvoller und unverständlicher. Hawandschita sprach mit den Geistern. Die unheimlichen Töne schwangen durch die Dämmerung.
Die Krieger, die ihre Beratung abgeschlossen hatten, standen mit dem Häuptling zusammen noch unschlüssig auf dem Patz zwischen den Zelten umher. Ohne die
Billigung des Zaubermannes wagten sie nicht, etwas Größeres zu unternehmen. Sie schienen alle warten zu wollen, bis Hawandschita sein Geistergespräch beendete und ihr Anliegen anhören wollte.
Die Sonne verschwand hinter dem Felsengebirge, und die ersten Sterne leuchteten auf. Der Mond stieg, und sein mattes, farbloses Licht lag über der Prärie. In der Ferne jaulten Wölfe, und die Pferde zitterten. Ein Hund schlug an.
Die Zelte lagen im Dunkel, die Feuer im Innern waren alle sorgfältig gedeckt.
Endlich kam Hawandschita aus dem Zaubertipi hervor. Mattotaupa sah nach ihm hin, und da der Zaubermann die Begegnung zu wünschen schien, ging der Häuptling auf ihn zu, langsam, würdig, im Schmuck von Krone und Schleppe aus den Federn des Kriegsadlers, den zu erlegen nicht leicht war. Viel Jagdgeschick und Kühnheit hatte es gefordert, bis dieser Schmuck vollständig geworden war. Harka sah die gleichmäßig großen Federn als Schattenriß gegen den Sternenhimmel. Er beobachtete aus achtungsvoller Entfernung sehr aufmerksam, wie sich die beiden bedeutendsten und einflußreichsten Männer der Bärenbande trafen. Sie begannen zu sprechen und sprachen ziemlich lange miteinander. Wie aus Haltung und Gesten zu entnehmen war, stimmte Hawandschita dem Ergebnis der Beratung nicht ohne weiteres zu. Mattotaupa aber schien die Beschlüsse der Krieger zu verteidigen. Endlich war es offenbar soweit, daß Zauberer und Kriegshäuptling sich einigten; das Gespräch wurde beendigt. Wer nachgegeben hatte, konnte Harka nicht wissen. Er sah nur, daß sein Vater Sonnenregen, Alte Antilope und drei weitere angesehene Krieger, darunter auch seinen eigenen Bruder, zu sich heranrief. Diese Krieger und ihr Häuptling besprachen sich ausführlich. Endlich löste sich Alte Antilope, der das Amt des Herolds zu versehen pflegte, aus dem Kreis und gab bekannt, daß alle Krieger sich nochmals versammeln sollten. Harka wollte nicht auffallen. Da die anderen Jungen schon in ihre Zelte gegangen waren, begab auch er sich in das väterliche Tipi. Die Mahlzeit, die die Kinder empfingen, war sehr knapp. Harka bezwang den Bärenhunger, den er empfand, und gab seinem jüngeren Bruder Harpstennah von seinem Teil noch etwas ab. Harpstennah war als kleines Kind einmal sehr krank gewesen und immer etwas schwächlich geblieben im Vergleich zu Harka und Uinonah. Harka empfand dem Jüngeren gegenüber eine Mischung von Fürsorglichkeit und Verachtung. Er fühlte sich immer verpflichtet, für ihn zu sorgen und ihn alles zu lehren, was ein Junger Hund können mußte, aber es ärgerte ihn auch, wenn Harpstennah in den Übungen der Knaben, im Laufen und Steinwerfen zurückblieb. Zielen konnte er allerdings gut, es fehlte ihm nicht an Geschicklichkeit.
Während Harpstennah die Hälfte der Beeren- und Wurzelration des älteren Bruders mitverzehrte, dachte Harka über den Jüngeren nach. Er mußte sich mehr um Harpstennah kümmern, damit dieser nicht unter den Einfluß Schonkas geriet.
Der große Bursche befand sich nicht im Tipi.
Harka horchte auf die Vorgänge draußen. Da man stets gewärtig war, die Zelte so schnell wie möglich abzubrechen, hatten die Frauen das große Beratungszelt nicht aufgeschlagen. Die Beratungen fanden im Freien statt. Harka lauschte und verstand hin und wieder einige Sätze. Was er hörte, beunruhigte ihn sehr.
Zwei Stunden vor Mitternacht fiel die Entscheidung. Die zweite Beratung war geschlossen, mit der heiligen Pfeife wurde der gemeinsame Beschluß geweiht und für alle verbindlich gemacht.
Die Männer verließen den Beratungsplatz, und auch Mattotaupa begab sich in sein Zelt. Draußen verkündete Alte Antilope als Herold, was zu geschehen habe. Die Frauen und Mädchen sollten die Tipi sofort abbrechen;
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