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Harka der Sohn des Haeuptlings

Harka der Sohn des Haeuptlings

Titel: Harka der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Gesicht und rührten ein wenig die Glieder, aber keines jammerte, denn das Jammern würde nicht das geringste an der Lage geändert haben, das wußten schon die Kleinen.
    Die Bärenbande befand sich auf ihrem Wanderzug jetzt auf dem Grasland zu Füßen der Rocky Mountains, das rauh, ohne Baum und Strauch, den Nord- und Südstürmen preisgegeben war. Die Frühjahrsnächte waren bei der hohen Lage dieser Prärien noch immer recht kalt, und die linde Wärme der Morgensonne tat um so wohler. Die Blumen öffneten ihre Kelche und dufteten stärker, die Insekten krochen hervor und begannen über das Gras und um die Blüten zu summen. Die Wanderer befanden sich mit ihrem Hunger und ihrer Übermüdung in einem empfindlichen Gegensatz zu der Natur, die voll Saft und Kraft das Fest ihres Erwachens feierte.
    Bis zum hohen Vormittag zogen die Wanderer weiter, mit einer verbissenen Zähigkeit. Die Pani schienen von dem Abzug der verhaßten Dakota keine Notiz zu nehmen.
    Als es gegen Mittag ging und die Sonne warm auf die braunen Rücken brannte, konnte Harka einen Vorgang an der Spitze des Zuges beobachten. Er hatte seinen Schecken immer möglichst so gelenkt, daß er in dem welligen Terrain die beiden Führer, Mattotaupa und Sonnenregen, noch im Auge behielt. Jetzt sah er einen Kundschafter durch das Gras herbeihuschen. Die beiden Führer hatten haltgemacht; auf ihre Speere gestützt, hörten sie sich den Bericht des zurückgekehrten Spähers an, und auch Harka erkannte ihn jetzt: Es war Alte Antilope. Er schien Wichtiges und, nach den Gebärden Sonnenregens zu urteilen, sogar Erfreuliches zu melden.
    Mattotaupa drehte sich zum Zug um und gab mit der Hand Zeichen, daß alle ganz still sein sollten. Wer wollte, konnte absteigen und sich bei seinem Tier am Boden ausruhen. Viele, vor allem die Frauen mit kleinen Kindern, nutzten die Möglichkeit sofort aus. Harka wollte jedoch nicht eingestehen, wie müde er war. Er blieb auf dem Pferderücken, gab aber dem Tier den Kopf frei, so daß es grasen konnte. Dabei schaute er sich nach den Jungen Hunden um und stellte befriedigt fest, daß alle seinem Beispiel folgten.
    An die Krieger hatte Mattotaupa unterdessen besondere Befehle in Zeichensprache durchgegeben. Jeder im Wanderzug verstand diese Befehle. Die Augen glänzten auf, die Lippen begannen zu lächeln, und mancher atmete tiefer.
    Es war Wild in Sicht. Eine ganze Wildherde von Antilopen!
    Harka fieberte und verwünschte, daß er erst elf Jahre alt war. Jetzt mitjagen dürfen! Er sah den Kriegern zu, die mit dem Bogen über der Schulter, auf dem Rücken den Köcher mit Pfeilen und je ein kleines Bündel Jagdpfeile in der Hand lautlos zu ihrem Häuptling eilten und dann nach dessen Anweisungen in die Wellentäler der Prärie ausschwärmten. Die Antilopen waren vom Standplatz des Wanderzuges aus nicht zu sehen.
    Die Bärenbande und das Land ihrer Heimat waren wieder eins. Die Männer, Frauen und Kinder brauchten nicht auf saftigen Wiesen zu verhungern, das Wild war noch nicht ausgestorben, der Zaubermann war nicht ohnmächtig; das Wort der Geister, das er gehört hatte, begann sich zu erfüllen!
    Harka hatte nichts zu tun, und doch hatte er keine Zeit, die Freude auf Uinonahs hohlwangigem Mädchengesicht, die Spannung in Harpstennahs Mienen oder Untschidas große ruhige Erwartung zu beobachten. Er war nur damit beschäftigt, ob er irgendwo und irgendwie etwas von Jägern, Wild und Jagd erspähen könnte. Wenn ihm ein Krieger erlaubt hätte, auf eine der Bodenwellen zu kriechen und Ausschau zu halten! Unwillkürlich sah er sich nach Tschetan um, dem er seit der Sache mit Schwarzhaut Kraushaar keinen Blick mehr gegönnt hatte. Der Bursche hatte eben auch zu Harka hingesehen, und so trafen sich ihre Blicke. Jeder war dabei verlegen, daß der andere seinen Blick bemerkt hatte, und zu gleicher Zeit senkten sie die Lider, ihre Beschämung voreinander verbergend.
    Tschetan, der Ältere, fühlte sich jedoch verpflichtet, die Lage zu meistern. Er glitt vom Pferd, warf den Zügel Harpstennah zu und winkte Harka. Schnell wie ein Gedanke war dieser bei Tschetan und tat stillschweigend nach dem Beispiel des großen Burschen, der sich zu Boden warf und, mit Pfeil und Bogen bewehrt, die höchste Bodenerhebung in Ufernähe hinaufschlich. Auf dem Kamm der Bodenwelle lagen schon mehrere Burschen im Gras. Sie gehörten alle zu denjenigen, die mit Tschetan auf besondere Weise verbunden waren; sie waren Mitglieder des Bundes der »Roten Feder« und

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