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Harka der Sohn des Haeuptlings

Harka der Sohn des Haeuptlings

Titel: Harka der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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wir die Schwarzen Berge verlassen wollten?«
    »Ich weiß es nicht, Vater, aber jetzt ahne ich es.«
    »Du sollst es wissen. Mein Vater wußte es, der Vater meines Vaters und dessen Vater. Ich habe es aus ihrem Munde gehört, und ihre Hand hat mir das Geheimnis aufgedeckt. So sollst auch du es wissen, denn du bist mein ältester Sohn. In der Höhle, die ich mit dir betrat, ist an einer verborgenen Stelle Gold zu finden. Wenn wir zum Winter nach den Büffeljagden wieder in die Wälder ziehen sollten, werde ich dir die Stelle zeigen. Du aber wirst schweigen, bis du selbst einen Sohn hast, dem du das Geheimnis weitergeben kannst.«
    »Ich werde schweigen, Vater.«
    »Hau.«
    »Hau.«
    Mattotaupa atmete tief. »Wir wollen den Vater von Schwarzhaut Kraushaar befreien, ich habe es gesagt, aber nicht mit Hilfe von diesem Gold. Verstehst du mich?«
    »Ich verstehe.«
    »Gut. Dann rufe jetzt den fremden Knaben.«
    Harka sprang auf, rannte aus dem Zelt und nach dem Fluß, so rasch ihn die Füße trugen, denn er hatte das dunkle Gefühl, daß unterdessen ein Unglück geschehen sein könne. Die Dorfbewohner, die er zwischen den Zelten und am Flußufer traf, die Frauen, die Kinder, auch einige Männer schienen zwar sehr ruhig, aber das wollte nicht viel besagen, denn die Dakota verstanden es, ihre Gefühle zu verbergen, wenn sie wollten.
    Als Harka an den Fluß kam, traf er Schwarzhaut Kraushaar dort nicht mehr an. Er fragte die Jungen Hunde, die untätig umherstanden, aber diese sagten, sie wüßten nichts von dem Fremdling, hätten sich auch nicht weiter nach ihm umgesehen, sondern nur miteinander über den geheimnisvollen Stein gesprochen. Harka ließ sie stehen und suchte im ganzen Dorf nach seinem neuen Gefährten, er suchte bei der Pferdeherde, er suchte bei der Hundemeute, er fragte Tschetan, und er überwand sich und fragte Schonka. Niemand wußte etwas. Harka lief fort von den Zelten zu den nächsten Spähposten. Diese hörten ihn an, wurden bedenklich und schauten sich noch aufmerksamer um.
    Aber niemand wußte, wo Schwarzhaut Kraushaar geblieben war, und niemand wollte eine Spur des fremden Knaben gesehen haben. Er schien wie vom Erdboden verschwunden.
    Doch Harka bohrte weiter, denn er konnte das nicht glauben. Noch einmal ging er zu Tschetan, aber dieser wurde auf Harkas erneute Frage hin so ungeduldig, daß in dem Knaben das Mißtrauen erwachte. Konnte ihm niemand Auskunft geben – oder wollte es niemand? Nicht einmal Tschetan?
    Schweren Herzens wollte sich der Junge zum Vater zurückbegeben, um ihm zu sagen, daß er den Fremdling nicht mehr finden konnte. Doch der Häuptling war schon nicht mehr zu sprechen; die Ratsversammlung hatte sich bereits auf dem Dorfplatz zusammengefunden. Die Krieger saßen in ihren Festkleidern im Kreis, die heilige Pfeife wurde unter ehrfürchtigem Schweigen angeraucht, und dann begannen die Reden. Frauen und Kinder hatten sich ehrerbietig zurückzuziehen.
    So tat auch Harka.
    Aber er blieb unruhig und voller Sorge. Denn er konnte das fahle Gesicht des Fremdlings und den aufblitzenden Haß nicht vergessen. Was mochte Schwarzhaut Kraushaar, der die Sprache der Dakota nicht verstand, gedacht haben, als Mattotaupa das Goldkorn voll Grimm in den Fluß warf? Er mußte geglaubt haben, daß der Häuptling Kraushaars Vater nicht befreien wollte. Was hatte der Knabe nun vor? Wohin war er mit wirren und zweifelnden Gedanken gelaufen? Was plante er?
    Harka fühlte eine Angst, die sich immer weiter steigerte; wenn Schwarzhaut Kraushaar nun wieder zu seinem Vater und zu den Pani lief und dort von dem Goldkorn erzählte, das er im Dakotadorf gesehen hatte? Schweigen, Schweigen hatte der Häuptling geboten. Wenn aber der fremde Knabe zu reden begann, ohne daß es noch einer zu hindern vermochte?
    Harka ging wieder zu der sandigen Uferstelle, an der das Unglück seinen Anfang genommen hatte. Wenn man eine Fährte suchen sollte, mußte man immer von dem letzten Punkt ausgehen, der vollständig gesichert war, und das war dieser Platz hier. Hier hatte Schwarzhaut Kraushaar gestanden, als Harka ihn zuletzt gesehen hatte. Die Spur des Knabenfußes war im nassen Sand sogar noch herauszufinden, obgleich Kraushaar die gestickten
    Mokassins Harkas trug. Harka stand lange an dieser Stelle, prägte sich den Fußabdruck ganz genau ein und hielt dann wieder Ausschau. Aber Gras und Sand ringsum trugen so viel wirr durcheinanderlaufende Spuren von Knabenfüßen, daß Harka nicht klug werden konnte, wo Kraushaar

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