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Harka der Sohn des Haeuptlings

Harka der Sohn des Haeuptlings

Titel: Harka der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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nicht weit zu laufen. Etwa 300 Meter vom Zeltplatz entfernt befand sich eine der flachen Bodenwellen, in denen die ganze Prärie verlief, und an ihrem Seitenhang, an einer kleinen Senke zwischen dieser und der nächsten Bodenwelle, war eine der Spuren zu sehen, die Tschetan Harka zeigen wollte. Tschetan wartete, was der Junge sagen werde.
    Harka betrachtete die Stelle lange und sorgfältig. Er wußte, daß er geprüft wurde.
    »Die Halme haben sich schon wieder ein wenig aufgerichtet«, sagte er schließlich, »aber nur sehr wenig, denn die meisten sind welk und schwach vom Winter. Hier hat ein Mensch im Gras gelegen, und er war vorsichtig, denn beim Niederlegen und Aufstehen hat er kaum eine Spur gemacht. Doch hat er sich beim Aufstehen wahrscheinlich etwas rascher bewegt und nicht ganz so überlegt, denn hier – siehst du – ist eine Zehenspur am Rand des Grasbüschels im Sand. Es ist eine matte Spur, nicht von nackten Zehen, sondern von Zehen in Mokassins. Diese Spur ist frisch, ihre Ränder sind noch scharf. Der Späher ist zu Ende der Nacht aufgestanden. Es war ein roter Mann. Vielleicht wollte oder sollte er sich schnell zurückziehen. Ihr habt ihn nicht gesehen?«
    »Nein«, antwortete Tschetan mit einem bedrückten, fast schuldbewußten Unterton, »wir haben weder ihn noch seinen Begleiter zu Gesicht bekommen. Es kann sein, daß es nicht nur zwei, sondern sogar drei waren, aber wir haben sie nicht gesehen. Sie müssen an uns vorbei fast bis zum Lager gelangt sein, und als wir eine Fährte fanden und zurückeilten, haben auch sie sich zurückgezogen. Sie sind wieder an uns vorbeigelangt, ohne daß wir sie sahen, aber ich glaube, daß auch sie uns nicht gesehen haben. Wahrscheinlich hat einer von ihnen aber unsere Spur gefunden, so wie wir die ihren, und wir sind hin und zurück aneinander vorbeigelaufen.«
    »Das ist zum Lachen und nicht sehr rühmlich! Wir wissen also nicht, welchem Stamm die fremden roten Männer angehören?«
    »Nein, das wissen wir nicht, aber die unbekannten Krieger müssen gesehen haben, daß unsere Zelte Zelte der Dakota sind.«
    Harka betrachtete die Spur weiterhin in Gedanken. »Es könnten Dakota sein, die hier auf Kundschaft waren, oder Cheyenne.«
    »Dakota oder Cheyenne oder Pani, aber wir wissen es nicht.«
    »Beobachten wir diese unbekannten Späher jetzt?«
    »Ihre Spuren sind unterbrochen, wir können ihnen nicht ohne mühsames Suchen folgen. Das kostet viel Zeit. Darum ist mein Vater zu den Zelten gegangen, um mit unserem Kriegshäuptling zu beraten. Unterdessen liegen die Späher, die Sonnenregen und Schonka und mich abgelöst haben, weiter südwärts und halten Umschau, ob sich etwas Verdächtiges rührt. Sie konnten uns aber noch keine neue Nachricht geben.«
    »Wenn diese fremden Späher einem der Dakotastämme angehören würden, wären sie doch offen zu unseren Tipi gekommen, sobald sie erkannten, daß auch wir Dakota sind«, überlegte Harka weiter. Die Dakota – das Wort bedeutet »Sieben Ratfeuer« – gliederten sich in sieben große Stammesabteilungen, die wieder in zahlreiche Gruppen und kleine Banden zerfielen, wie es die Lebensweise der Jäger bedingte. Die Bärenbande gehörte zu den im westlichen Gebiet lebenden Teton-Dakota und unter diesen zur Gruppe der Oglala.
    »Auch wenn es Dakota sind, wollten sie vielleicht erst ihrem Häuptling berichten, ehe sie sich uns zeigen.«
    Harka widersprach. »Das glaube ich nicht. Vielleicht waren es Pani.«
    »Die Pani sind Kojoten und feige Präriehunde!« erklärte Tschetan verächtlich. »Sie wohnen unten am Plattestrom. Wie sollten sie es wagen, so weit nördlich in die Jagdgründe der Männer vom Stamme der Dakota einzudringen!«
    »Vielleicht haben sie auch Hunger.«
    »Da wir bisher keine Büffel gefunden haben, müssen die Büffelherden unten am Platte weiden, und die Pani haben Fleisch genug.«
    »Woher weißt du das? Büffel müssen überhaupt nicht. Wer soll ihnen befehlen?«
    »Der Hunger, der auch uns befiehlt. Aber wozu streiten wir uns? Die Fährten geben nicht genug Auskunft. Ich weiß nicht viel, und du weißt auch nicht viel. Es wird sich vielleicht sehr bald zeigen, wer richtig vermutet. Denn eins ist gewiß: Diese fremden Krieger sind erst vor kurzem hier gewesen.«
    »Sie sind nicht zu Pferde, sondern zu Fuß gekommen, und also werden sie auch jetzt noch nicht weit fort sein, mögen sie auch so schnell laufen, wie sie nur können.« Harka brach ab, denn er sah, daß sein Vater mit Sonnenregen aus

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