Harper Connelly 03 - Ein eiskaltes Grab-neu-ok-14.12.11
er.
Dankbar
erwiderte sie sein Lächeln. »Genau das ist es. Ich habe Vorbehalte.«
»Sie müssen
also sehr verzweifelt sein«, meinte ich.
Sie warf mir
keinen sehr freundlichen Blick zu. »Ja«, gab sie notgedrungen zu. »Ja, wir sind
verzweifelt.«
»Ich werde
mich nicht vor der Aufgabe drücken«, sagte ich forsch. »Ich möchte nur wissen,
was auf mich zukommt.«
Meine
Ehrlichkeit schien sie zu erleichtern. »Na, dann wollen wir die Karten mal auf
den Tisch legen«, sagte sie. Sie holte tief Luft. »In den letzten fünf Jahren
sind in diesem Bezirk immer wieder Jungen verschwunden. Bisher sind es sechs.
Wenn ich ›Jungen‹ sage, meine ich Jungen im Alter zwischen vierzehn und
achtzehn. Nun, Kinder in diesem Alter laufen gern mal von zu Hause weg, begehen
Selbstmord oder haben einen tödlichen Autounfall. Wenn wir sie gefunden oder
eine Nachricht von den Ausreißern bekommen hätten, könnten wir damit leben,
falls man mit so etwas überhaupt leben kann.«
Wir nickten.
»Aber diese
Jungen - nun, niemand kann sich vorstellen, dass sie auf die Idee kommen
würden, wegzulaufen. Und wenn sie sich umgebracht hätten oder ihnen im Wald
etwas zugestoßen wäre, müsste irgendein Jäger, Vogelbeobachter oder Wanderer
längst ein, zwei Leichen gefunden haben.«
»Sie glauben
also, dass sie irgendwo verscharrt wurden.«
»Ja, genau.
Ich bin mir sicher, dass sie hier irgendwo sind.«
»Dann würde
ich Ihnen jetzt gern ein paar Fragen stellen«, sagte ich. Tolliver zückte
seinen Block und seinen Stift. Sheriff Rockwell wirkte
überrascht, als hätte sie mit allem gerechnet, nur nicht damit, dass ich Fragen
stelle.
»Dann
schießen Sie los«, sagte Sandra Rockwell nach einer kurzen Pause.
»Gibt es
Gewässer in Ihrem Bezirk?«
»Ja, den Grunyans Pond und den Pine Landing
Lake. Und dann noch mehrere Flüsse.«
»Wurden sie
bereits abgesucht?«
»Ja. Einige
von uns tauchen, und wir haben so gründlich gesucht, wie wir konnten. Es kam
auch nie etwas an die Oberfläche. Beide Gewässer werden stark genutzt, und
alles, was hochgetrieben oder gesunken ist, hätte man längst gefunden, wenn es
dort etwas zu finden gäbe. Ich bin mir sicher, dass der Pond in
Ordnung ist. Trotzdem ist es möglich, dass an seiner tiefsten Stelle etwas
liegt.«
Doch man sah Sheriff Rockwell an, dass sie dies für wenig
wahrscheinlich hielt.
»Gibt es
etwas, was die vermissten Jungs gemeinsam haben?«
»Außer, dass
sie derselben Altersgruppe angehörten? Nicht viel, nur, dass sie verschwunden
sind.«
»Alles
Weiße?«
»Oh. Ja.«
»Und alle
gingen auf dieselbe Schule?«
»Nein. Vier
von ihnen waren auf der hiesigen Highschool, einer ging auf die Junior High und
einer besuchte eine Privatschule, die Randolph Prep.«
»In den
letzten fünf Jahren, sagten Sie? Verschwanden sie jeweils um dieselbe
Jahreszeit?«
Sie sah in
die Akte auf ihrem Schreibtisch und überflog ein paar Seiten. »Nein«, sagte
sie. »Zwei im Herbst, drei im Frühling und einer im Sommer.«
Keiner im
Winter, wo es schwerfällt, jemanden im Freien zu vergraben. So gesehen hatte
sie wahrscheinlich recht mit ihrer Vermutung: Die Jungen waren irgendwo
verscharrt.
»Sie
glauben, dass eine Person alle auf dem Gewissen hat«, sagte ich. Das war nur so
eine Vermutung, aber ich hatte richtig geraten.
»Ja, genau.«
Jetzt war
ich an der Reihe, tief Luft zu holen. So einen Fall hatte ich noch nie gehabt.
Ich habe noch nie versucht, so viele Menschen auf einmal zu finden. »Ich kenne
mich nicht besonders mit Serienmördern aus«, sagte ich, und das gefürchtete Wort
stand zwischen uns wie ein ungebetener Gast. »Aber wenn das, was ich gelesen
oder im Fernsehen gesehen habe, stimmt, scheinen sie ihre Opfer in derselben
Region, wenn nicht sogar am selben Ort zu vergraben. So wie der Green River
Killer, der die meisten seiner Opfer im Fluss entsorgt hat.«
»Ja«,
erwiderte sie. »Manche bevorzugen denselben Ort. Dann können sie ihn immer
wieder aufsuchen. Um sich an den Erinnerungen zu weiden.«
Sie hatte
ihre Hausaufgaben gemacht.
»Und wie
können wir Ihnen helfen?«
»Erzählen
Sie, wie Sie arbeiten. Wie finden Sie die Leichen?«
»Meine
Schwester kann zwei Dinge«, sagte Tolliver und begann mit seinem
Routinevortrag. »Sie findet Leichen und kann die jeweilige Todesursache
bestimmen. Wenn wir nach einer Leiche suchen sollen, dauert das
selbstverständlich länger, als wenn man uns zum örtlichen Friedhof bringt, auf
ein Grab zeigt und wissen will, an was
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