Harper Connelly 03 - Ein eiskaltes Grab-neu-ok-14.12.11
ich.
»Vielleicht
hatte sie auch der Wind dorthin geweht. Vielleicht war es auch gar nicht seine,
obwohl die Haare von Dylan hätten sein können. Es war
bloß eine ganz normale Baseballkappe. Schließlich schickten wir sie ins Labor,
und die DNA stimmte mit der von Dylan überein. Aber das
half uns auch nicht weiter. Das bedeutete nur, dass er diese Kappe dort, wo er
jetzt war, nicht aufhatte.«
Das war
eindeutig die Schilderung polizeilichen Versagens. Ich bin keine Polizistin und
werde auch nie eine sein, aber meiner Meinung nach war uns Abe
Madden eine Erklärung schuldig.
»Einen Monat
später verschwand Hunter Fenwick«, sagte Rockwell. »Hunter war der Sohn eines
Freundes von mir, und er ist auch der Grund, warum ich mich um den
Sheriff-Posten bewarb. Ich habe Sheriff Madden immer
respektiert - zumindest bis zu einem gewissen Grad -, aber ich wusste, dass er
sich irrte, was die Jungen betraf. Hunter... nun, sein Auto stand auf demselben
Parkplatz, auf dem auch Chester's Pick-up gefunden
wurde. Am Anfang des Wanderwegs. Wir fanden auch Blutspuren - allerdings nicht
so viele, dass er den Blutverlust nicht hätte überleben können. Und sein
Geldbeutel wurde keinen Kilometer von der Stadt entfernt gefunden, in einem
Straßengraben.« Sie zeigte auf eine kurvige Landstraße, die etwa dreißig
Kilometer lang in nordwestlicher Richtung aus Doraville hinausführte, bevor sie
sich erst nach Norden und dann nach Nordosten wand, hin zum nächsten Ort, oben
in den Bergen.
»Wer war der
Nächste?«, fragte Tolliver, weil Sheriff Rockwell sich in düsteren Erinnerungen zu verlieren begann.
»Der
Jüngste, Aaron Robertson. Er ging auf die Junior High
und war erst vierzehn, zu jung für den Führerschein. Er blieb nach dem
Basketballtraining in der Schule, um noch ein paar Körbe zu werfen. Er ging
stets zu Fuß nach Hause. Aber in der Nacht zuvor war die Zeit umgestellt
worden, und es war bereits dunkel. Er kam nie zu Hause an. Auch sein Rucksack
wurde nie gefunden. Er ist spurlos verschwunden.« Sie zog eine Plastikhülle aus
einem Ablagekorb auf ihrem Schreibtisch. Wir sahen eine Reihe junger Gesichter.
Unter jedem Gesicht stand das Datum, an dem der jeweilige Junge verschwunden
war. Es war schlimm genug, sich das Ganze anhören zu müssen, aber die Gesichter
zu betrachten, war noch schlimmer.
Wir
schwiegen alle eine Weile. Dann sagte Tolliver: »Und der Letzte?«
»Der Letzte
verschwand vor drei Monaten. Jeff McGraw. Wir haben Sie wegen seiner Großmutter
engagiert. Twyla fand, wir kämen hier nicht weiter, womit sie auch recht hat.«
Es fiel Sheriff Rockwell sicher nicht leicht, dies
zuzugeben, aber sie sagte es trotzdem.
»Twyla Cotton spendete viel Geld und sammelte noch zusätzliches bei
den Familien, zumindest bei denen, die es sich leisten können zu helfen.
Außerdem bekam sie Geld von Leuten, die einfach nur wollten, dass das hier
endlich aufhört. Leute, die überhaupt nicht mit den Vermissten verwandt sind.«
Sandra Rockwell schüttelte den Kopf. »Es ist schier unglaublich, wie viel Zeit
und Energie sie darauf verwendet hat. Aber Jeff ist ihr ältester Enkel...« Ihr
Blick wanderte zu dem Fotowürfel auf ihrem Schreibtisch. Rockwell war selbst
Großmutter. Dann betrachtete sie das letzte Foto in der Reihe der Gesichter:
ein Junge mit Sommersprossen, rotbraunem Haar und einer Trainingsjacke, auf die
der Name seiner Schule aufgedruckt war. Jeff McGraw war ein begeisterter Basket- und Footballer gewesen. Bestimmt
war er der Held in Doraville gewesen, ich kenne doch meine Südstaatenstädtchen!
»Sie
sprechen also im Namen dieser Leute, die Geld dafür gespendet haben, dass die
Jungen gefunden werden«, sagte Tolliver, »wahrscheinlich, weil der Bezirk kein
Geld dafür hat.«
»Ja«, sagte Sheriff Rockwell. »Wir können keine Steuergelder für Sie
ausgeben. Die Sache muss in einem strikt privaten
Rahmen bleiben. Aber ich wollte Sie nicht beauftragen, bevor ich Sie nicht
unter die Lupe genommen habe. Ich stehe der ganzen Sache höchst zwiespältig
gegenüber.«
Das waren
ziemlich große Worte für einen Sheriff, und zwar in
mehrfacher Hinsicht. Ich habe noch nie erlebt, dass Polizisten zugaben, Zweifel
an mir zu haben. Sie sind wütend auf mich, reagieren ablehnend, angewidert -
aber Zweifel äußern? Das war mir neu.
»Dafür habe
ich vollstes Verständnis«, sagte ich vorsichtig. »Ich weiß, dass Sie getan
haben, was Sie konnten, und es Ihnen, äh, schwerfallen muss, jemanden
wie mich zu engagieren.
Weitere Kostenlose Bücher