Harper Connelly 04 - Grabeshauch
zurückhaben wollte. Ich warf einen Blick auf das Gerümpel, schloss die Augen und machte
mich auf die Suche.
Das Summen kam aus einer großen Wäschetruhe, ganz hinten an der Wand. Darauf standen ein Karton mit Zeitschriften und einige
Töpfe und Pfannen. Ich fegte sie hinunter. Ich legte meine Hände auf den Deckel. Ich konnte ihn nicht öffnen. Ich spürte mit
meiner mir vom Blitz geschenkten Gabe hinein und ...
... fand meine Schwester.
21
Der Behördenkram um Gracie – um das Mädchen, das ich stets für meine Schwester Gracie gehalten hatte – wird bestimmt noch
eine Weile dauern. Jetzt, wo ihre richtigen Eltern tot waren, würde niemand mehr Iona und Hank das Sorgerecht streitig machen.
Die beiden hatten die Mädchen schließlich rechtmäßig adoptiert. Für sie spielte es keine Rolle, dass eines davon ein anderes
Kind war als gedacht. Nachdem sich ihr Schock gelegt hatte, beschlossen Iona und Hank, Gracie trotzdem zu behalten. Als Gott
ihr gesagt hätte, sie solle die Erziehung der Mädchen übernehmen, so Iona, hätte er ihr schließlich nichts über deren Eltern
erzählt. Wäre Gracie tatsächlich die Tochter von Rich Joyce gewesen, hätte das enorme Komplikationen gegeben. Aber so war
es völlig in Ordnung, dass dem nicht so war. Zumindest aus meiner Sicht.
Matthew wanderte wieder ins Gefängnis, allerdings nicht für lange. Er hatte sein eigenes Kind nicht umgebracht, zumindest
konnte ihm das niemand nachweisen. Das winzige Skelett der echten Gracie lag nicht mehr dort, wo er es, laut seiner Aussage,
vergraben hatte, und zwar in einem öffentlichen Park unweit der Interstate.
Er behauptete, mit Gracie auf dem Weg ins Krankenhaus gewesen zu sein, als sie unterwegs gestorben sei. Er habe sie begraben
und uns diese Lügengeschichte mit der Intensivstation aufgetischt, weil er Angst gehabt hätte, dass meine Mutter durchdrehen
würde, wenn sie von Gracies Tod erführe.(Da meine Mutter bereits seit Jahren durchgedreht war, nahm ich ihm das nicht ab.) Er blieb ein paar Tage weg, um seine Geschichte
von Gracie auf der Intensivstation zu untermauern. Als Chip anrief, war Matthew mehr als erfreut, ein Baby aufzunehmen, dessen
zweifelhafte Abstammung ihm eines Tages noch von Nutzen sein konnte. Und wenn er mit einem gesunden Mädchen zurückkam, brauchte
er auch nicht länger zu befürchten, wegen Kindesvernachlässigung angeklagt zu werden. Wir rechneten schließlich damit, dass
Gracie wieder aus dem Krankenhaus kam. Nur Cameron vermutete, dass Matthew so tief gesunken war, das Kind auszutauschen.
Camerons Hals wies Würgemale auf, es war also noch genug von ihr übrig, um die Todesursache nachzuweisen. Mark gestand, dass
sie ihm ihre Vererbungstabelle gezeigt hatte, um ihm zu beweisen, dass meine braunäugige Mutter und ihr braunäugiger Mann
keine grünäugige Tochter haben konnten. Cameron hatte nicht gewusst, von wem das Baby »Gracie« war. Aber da sie sicher war,
dass das Kind nicht mehr dasselbe war, erklärte ihre Erkenntnis so einiges über Gracies abweichendes Verhalten nach dem Krankenhausaufenthalt.
Nachdem Mark Cameron ermordet hatte, hatte er ihre Leiche in die Gefriertruhe des Restaurants gelegt, in dem er arbeitete.
Er hatte sie für ein paar Tage in einer Kiste ganz hinten in der Kühlkammer aufbewahrt. Dann hatte er den Schuppen in Dallas
angemietet und sie in der Wäschetruhe dorthin gefahren, während sämtliche Medien einen Riesenwirbel um ihr Verschwinden veranstalteten.
Dort war sie geblieben. Als er schließlich selbst nach Dallas zog, hatte er noch die Sachen aus dem Wohnwagen dazugestellt.
Seitdem wachte er über ihre sterblichen Überreste.
Die arme Cameron! Sie hatte dem Falschen vertraut. Mark war der Älteste, Zuverlässigste. Da war es nur natürlich, dasssie sich an ihn wandte. Sie hatte unterschätzt, wie sehr er seinem Vater ergeben war. Aber sie war klug genug gewesen, all
die merkwürdigen Fakten rund um das grünäugige Baby in unserem Wohnwagen richtig zu deuten.
Ich hatte diese merkwürdigen Veränderungen ebenfalls bemerkt. Schließlich hatte ich mich tagtäglich um Gracie gekümmert. Aber
es wäre mir wirklich niemals in den Sinn gekommen, dass das Baby, das ich versorgte, nicht mehr meine Schwester war. Ich kann
das nur dem Stress und den Folgen des Blitzschlags zuschreiben. Und der Tatsache, dass ich Matthew so etwas Abscheuliches
niemals zugetraut hätte. Ich weiß noch, wie ich mich wunderte, dass
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