Harrison, Kim - Hollows 7 - Blutkind
packten mich, weil ich an einen Ort gegangen war, an den er mir nicht folgen konnte, aber es war ja nicht, als begäbe ich mich gerade in Gefahr. Es war ein wenig, wie einen Offizier darum zu bitten, heute nicht mitlaufen zu müssen und stattdessen ausruhen zu dürfen. Ich würde vielleicht eine Strafe aufgebrummt kriegen, aber ich würde nicht sterben.
»Das wird so dermaßen nicht funktionieren«, murmelte ich und stieg über die niedrige Mauer, die den Hexengarten vom Friedhof trennte. Die Kälte bohrte sich wie Messer in meine Brust, und ich wurde langsamer, bevor mir die Nase abfror. Erschöpfung war nichts Neues für mich, und ich kannte alle Tricks, um sie zu ignorieren. Ich konnte die Kraftlinie in meinen Gedanken schimmern sehen, aber ich hielt stattdessen auf Pierces Statue zu. Ich musste nicht in einer Kraftlinie stehen, um mit Al zu reden, und das Stück ungeheiligte Erde umgeben von Gottes Gnade würde Al davon abhalten, herumzuwandern, sollte er beschließen, persönlich vorbeizuschauen.
Pierces Grabstein war ein kniender, kampfesmüder Engel und irgendwie unheimlich, weil er nicht ganz menschlich aussah mit seinen zu langen Armen und dem Gesicht, das in dem billigen Stein langsam von der Luftverschmutzung aufgefres-sen wurde. Ich hatte diesen rötlichen Fleck Zement dreimal be-320
nutzt, um Dämonen zu beschwören, und dass ich es inzwischen fast als Routine ansah, machte mir Sorgen.
»Hey, Bis?«, rief ich und zuckte dann zusammen, als Bis plötzlich in einem Luftstoß, der nach Steinstaub roch, auf der Schulter des Engels landete.
»Heilige Scheiße«, rief ich und schaute kurz zur Kirche, ob irgendwer meinen Schreckmoment bemerkt hatte. »Wie wär’s mit einer Vorwarnung, Mann?«
»Sorry«, sagte der jugendliche, ungefähr dreißig Zentimeter hohe Gargoyle, und in seinen roten Augen wirbelte so viel Belustigung, dass ich wusste, dass es ihm überhaupt nicht leidtat.
Seine körnige Haut war schwarz, um in der kalten Nacht jede Hitze aufzunehmen, die er kriegen konnte, aber er konnte die Farbe ändern, selbst wenn er bei Sonnenaufgang in seinen käl-testarreähnlichen Zustand verfiel. Wenn er älter war, würde er mehr Kontrolle über seinen Schlafrhythmus haben, aber im Moment versteinerte er quasi, sobald die Sonne aufging, wie die meisten Teenager. Er zahlte Jenks Miete, indem er die Kirche in den vier Stunden um Mitternacht herum bewachte, in denen Pixies traditionell schlafen. Seitdem die Temperaturen gefallen waren, tat er mehr als nur das. Er und Jenks kamen toll miteinander aus, nicht zuletzt, weil Bis von der Basilika geflogen war, weil er Leute angespuckt hatte, und Jenks das einfach toll fand.
»Warum ist Jenks wütend auf Sie?«, fragte er, als er die Flügel anlegte, und ich verzog das Gesicht.
»Weil er denkt, er müsse mich beschützen und ich an Orte gehe, an die er mir nicht folgen kann«, sagte ich. »Du kannst uns hier draußen hören?«
Der Gargoyle zuckte mit den Achseln und schaute zur Kirche. »Nur, wenn ihr schreit.«
Nur, wenn wir schreien. Ich wischte den Schnee von der Platte um die Engelsstatue, stellte die Cookies ab und nahm den Spiegel.
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»Oh, das ist ja ultimativ!«, sagte Bis, als der rötlich kristall-farbene Spiegel das Mondlicht reflektierte. Ich schaute darauf herunter und fühlte durch meine Handschuhe hindurch die Kälte. Ich stimmte ihm zu, obwohl ich fand, dass etwas, das benutzt wurde, um Dämonen zu rufen, hässlich sein sollte. Das war mein zweiter Spiegel, gefertigt mit einem Stock aus Esche, etwas Salz, Wein, ein wenig Magie und jeder Menge Hilfe von Ceri. Den ersten hatte ich auf Minias’ Kopf zerschlagen, als der Dämon mich überrascht hatte. Ceri hatte mir auch bei dem schon geholfen gehabt. Es war eine Kontaktglyphe, kein Anru-fungszauber, und das von einem Doppelkreis umgebene Pentagramm mit seinen Symbolen konnte einen Weg ins Jenseits zu jedem Dämon öffnen, mit dem ich reden wollte. Ich musste dafür nicht ihren Beschwörungsnamen kennen, nur ihren normalen. An manchen Tagen wünschte ich mir wirklich, ich würde das magische Wort nicht kennen.
Nervös kauerte ich mich neben die Cookies an den Grabstein und balancierte den Spiegel auf den Knien. Ich zog meinen rechten Handschuh aus und legte meine Handfläche auf die Mitte des großen Pentagramms. Das rötliche Glas war an meinen nackten Fingern eiskalt und übertrug die Kälte der Nacht auf mich. Ich schaute kurz zu Bis über mir und sagte: »Wenn Al auftaucht, geh auf
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