Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton
machte noch einen Schritt nach vorne, hob in einer schnellen Bewegung seine Hand und schlug Edgar mit der Handfläche vor die Brust, so daß er rückwärts taumelte.
»Ich hab’ dir gesagt, du sollst mich nicht so nennen!« schrie er. »Du Schwein! Du – wir haben zusammen gearbeitet. Ich habe dich angelernt – und ich werde im Gerichtssaal in den Arsch gefickt und finde dann heraus, daß du es warst, der alles verraten hat.«
»Es tut mir leid. Ich …«
»Was ist mit Bremmer? Hast du ihm von dem Brief erzählt? Willst du jetzt mit ihm einen trinken gehen? Mit Bremmer? Nun, dann will ich dich nicht aufhalten.«
»Nein, Mann, ich habe nicht mit Bremmer gesprochen. Du, ich habe einen Fehler gemacht, okay? Es tut mir leid. Sie hat mich auch gefickt. Es war so etwas wie Erpressung. Ich konnte nicht … Ich hab’s versucht, aber sie hatte mich bei den Eiern. Du mußt mir glauben.«
Bosch sah ihn lange an. Inzwischen war es ganz dunkel, aber er glaubte Edgars Augen im Straßenlicht glänzen zu sehen. Vielleicht hielt er Tränen zurück. Tränen worüber? Über den Verlust ihrer Beziehung? Oder waren es Angsttränen. Bosch spürte die Macht, die er über Edgar hatte. Und Edgar wußte, daß er sie besaß.
Leise sagte Bosch: »Ich will alles wissen. Du wirst mir erzählen, was du getan hast.«
Das Quartett im Red Wind machte gerade Pause. Sie saßen hinten an einem Tisch. Es war ein dunkler, holzgetäfelter Raum wie hundert andere in der Stadt. Eine rote Kunstlederpolsterung lief die von Zigaretten mit Brandmalen verunzierte Bar entlang. Die Kellnerinnen trugen schwarze Kleider mit weißen Schürzen und hatten alle zuviel Rot auf ihren schmalen Lippen. Bosch bestellte einen doppelten Jack Black, eine Flasche Weinhard’s und gab der Bedienung Geld für eine Schachtel Zigaretten. Edgar, der jetzt ein Gesicht machte, als wäre sein Leben zerstört, bestellte Jack Black pur und ein Glas Wasser.
»Es ist die verdammte Rezession«, sagte Edgar, bevor Bosch etwas fragte. »Der Immobilienmarkt ist im Arsch. Es zahlte sich nicht mehr aus, und wir hatten die Hypothek, und du weißt, Brenda hat sich an einen gewissen …«
»Das interessiert mich ’en Scheiß. Glaubst du, ich will hören, du hast mich verkauft, weil deine Frau einen Chevy statt eines BMWs fahren muß. Fuck you. Du …«
»So war es nicht. Ich …«
»Halt die Klappe. Ich rede jetzt. Du wirst …«
Sie schwiegen beide, während die Kellnerin die Drinks und die Zigaretten auf den Tisch stellte. Bosch legte einen Zwanziger auf ihr Tablett, ohne seine dunklen, wütenden Augen von Edgar abzuwenden.
»Also, spar dir das Gesabbere und erzähl mir, was du getan hast.«
Edgar stürzte seinen Drink hinunter und spülte mit Wasser nach, bevor er anfing.
»Hm, also, es war Montag am späten Nachmittag, nachdem wir von dem Fundort bei Bing’s zurück waren. Ich saß im Büro und bekam einen Anruf von Chandler. Sie wußte, daß sich etwas ereignet hatte. Wie weiß ich nicht, aber sie hatte von dem Brief und der Leiche gehört. Sie muß von Bremmer oder jemandem einen Tip bekommen haben. Sie fing an, Fragen zu stellen. ›Wurde es bestätigt, daß es der Puppenmacher war?‹ Solche Fragen. Ich ließ nichts raus. Kein Kommentar …«
»Und dann?«
»Dann, nun, sie machte mir ein Angebot. Ich habe zwei Hypothekenzahlungen versäumt. Brenda weiß es nicht einmal.«
»Was habe ich dir gesagt? Deine traurige Geschichte will ich nicht hören. Ich habe kein Mitleid mit dir. Wenn du’s mir erzählst, machst du mich nur noch wütender.«
»Okay, okay. Sie bot mir Geld an. Ich hab’ gesagt, ich würde es mir überlegen. Falls ich mit ihr ins Geschäft kommen wollte, sollte ich sie an dem Abend im Hung Jury treffen … Du willst es ja nicht hören, aber ich hatte Gründe. Also bin ich hin, okay.«
»Ja, und du hast dir selbst ans Bein gepinkelt«, sagte Bosch und hoffte, damit Edgar den Trotz, der in seiner Stimme aufkam, wieder auszutreiben.
Er hatte seinen Jack Black ausgetrunken und signalisierte der Kellnerin, aber sie bemerkte ihn nicht. Die Musiker nahmen ihre Plätze hinter den Instrumenten ein. Der Solist war ein Saxophonspieler, und Bosch wünschte, er wäre aus anderen Gründen hier.
»Was hast du ihr gegeben?«
»Nur, was wir an dem Tag wußten. Aber sie wußte schon über das meiste Bescheid. Ich sagte ihr, es sähe nach dem Puppenmacher aus. Es war nicht viel. Ha … das meiste stand sowieso am nächsten Morgen in der Zeitung. Und ich war nicht
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