Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton
Betonklotz hier in einem Stück herauskriegen.«
Ein paar Augenblicke sah Bosch schweigend hinab zur ausgehöhlten Öffnung, dann stand er auf und verließ das Ruinengrundstück wieder. Larry Sakai, der gerichtsmedizinische Assistent folgte ihm zum blauen Transportwagen und schloß die Hecktür auf. Die Hitze im Inneren war drückend und Sakais Atem roch stärker als das Desinfektionsmittel.
»Ich hab’ mir gedacht, daß sie dich herholen«, sagte Sakai.
»So? Und warum?«
»Weil’s nach dem verdammten Puppenmacher aussieht.«
Bosch erwiderte nichts, um Sakai keinerlei Bestätigung zu geben. Sakai hatte vor vier Jahren an den Puppenmacher-Morden gearbeitet, und Bosch hatte ihn in Verdacht, für den Spitznamen des Serienmörders in den Medien verantwortlich zu sein. Jemand hatte Details, die das Anbringen von Make-up an den Leichen betrafen, an einen der Nachrichtensprecher von Kanal 4 durchsickern lassen, der dann den Mörder auf den Namen Puppenmacher taufte. Danach wurde er von allen so genannt, sogar von den Cops.
Bosch hatte den Namen allerdings immer gehaßt. Er stempelte nicht nur den Mörder ab, sondern auch die Opfer. Sie waren nicht mehr Menschen, die gelebt hatten. So konnte man die entsetzlichen Nachrichten als unterhaltende Puppenmacher-Stories unter die Leute bringen.
Bosch sah sich im Wagen um. Es gab zwei Bahren und zwei Leichen. Die eine füllte den schwarzen Sack ganz: entweder hatte sie zu Lebzeiten Übergewicht gehabt, oder war nach dem Tod aufgedunsen. Er wandte sich zum anderen Sack, der von den Überresten kaum gefüllt wurde. Dies mußte die Leiche sein, die man aus dem Beton befreit hatte.
»Ja, das ist sie«, sagte Sakai. »Die andere ist eine Messerstecherei auf dem Lankershim Boulevard. North Hollywood hat den Fall. Wir waren auf dem Rückweg, als wir hierhin beordert wurden.«
Das erklärte, warum die Medien so schnell Wind von der Sache bekommen hatten. Die Funkfrequenz der Gerichtsmedizin wurde in allen Redaktionen der Stadt abgehört.
Einen Moment lang betrachtete er den kleineren Leichensack und riß dann, ohne darauf zu warten, daß Sakai es tun würde, den Reißverschluß des schweren, schwarzen Plastikmaterials auf. Ein scharfer, modriger Geruch drang heraus, der wohl schlimmer gewesen wäre, hätte man die Leiche früher gefunden. Sakai schlug den Sack auf, und Bosch blickte auf die Überreste eines menschlichen Körpers. Die Haut war dunkel und spannte sich wie Leder über die Knochen. Bosch ekelte sich nicht, weil er sich an solche Anblicke gewöhnt hatte und sich davon innerlich lösen konnte. Manchmal glaubte er, sein Leben bestand darin, Leichen zu beschauen. Als er noch nicht einmal zwölf Jahre alt gewesen war, hatte er die Leiche seiner Mutter für die Polizei identifiziert. Während seiner Vietnamzeit hatte er unzählige Tote gesehen, und in seinen zwanzig Berufsjahren war die Anzahl der Leichen ins Unermeßliche gestiegen. Seine Anteilnahme hatte sich auf die Rolle einer Kamera reduziert. Er war so losgelöst wie ein Psychopath.
Es war zu erkennen, daß die Frau klein gewesen war, und der Verfall des Gewebes sowie der Schrumpfprozeß ließen sie noch kleiner erscheinen als im Leben. Was vom Haar übriggeblieben war, war schulterlang und blond gebleicht. Bosch konnte die staubförmigen Überreste des Make-ups auf ihrem Gesicht erkennen. Sein Blick wurde von den Brüsten angezogen, die im Vergleich zu dem geschrumpften Körper immens groß waren. Sie waren voll und rund, und die Haut war straff. Es war das Groteskeste an der Leiche, weil es anders war, als man erwartet hätte.
»Implantate«, erklärte Sakai. »Verwesen nicht. Wir könnten sie rausnehmen und an die nächste Tussi verkaufen, die sie haben will. Man könnte ein Recycling-Programm starten.«
Bosch sagte nichts. Der Gedanke an die Frau – wer immer sie war –, die das mit ihrem Körper angestellt hatte, um attraktiver zu sein, und die dann so geendet hatte, deprimierte ihn. War es ihr am Ende nur gelungen, ihrem Mörder zu gefallen?
Sakai unterbrach seine Gedanken.
»Wenn das der Puppenmacher war, heißt das, sie war wenigstens vier Jahre einbetoniert. Hab’ ich recht? In dem Fall ist die Verwesung gar nicht so weit fortgeschritten. Wir haben immer noch Haare, Augen, etwas inneres Gewebe. Damit läßt sich was anfangen. Letzte Woche habe ich vielleicht einen Kunden bekommen – einen Wanderer, der im Soledad Canyon gefunden wurde. Sie nehmen an, es war ein Typ, der im letzten Sommer vermißt
Weitere Kostenlose Bücher