Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition)
hatte, wachte auf – die Arbeit war ja getan! – und trottete zu Anastasia hinüber, setzte sich vor sie und reichte ihr die Pfote.
Das rang Luccio ein Lachen ab. Sie nahm Mouses Pfote und kraulte ihm ein bisschen das Fell hinter den Ohren, wie er es gern hatte, ehe sie sich aufrichtete. „Ich, äh ... ich wollte ... ich wollte nur nachsehen, ob du dich soweit erholt hast.“
„Wie verantwortungsbewusst du doch bist.“
Meine Reaktion ließ sie sichtbar zusammenzucken. „Ach, Scheiße, Dresden!“, sagte sie. „Ich habe fast zweihundert Jahre lang alles getan, um niejemandem näher zu kommen. Aus verdammt gutem Grund. Wie das, was mit uns geschehen ist, ja wohl bestens bewiesen hat.“
„Ach ja?“
„Ach ja!“ Sie schüttelte den Kopf. „Das, was mit uns war, hat mich ... abgelenkt, du hast mich abgelenkt. Wäre ich nicht abgelenkt gewesen, hätte ich eventuell etwas mitbekommen. Etwas wahrgenommen, gefühlt. Ich weiß auch nicht ...“
„Ich dachte ja eher, der Magier, der sich in deinen Schädel eingemischt und dir Knoten ins Hirn gezaubert hat, hätte dich abgelenkt.“
Sie verzog das Gesicht. „Das sind doch zwei verschiedene Paar Schuh, und das weiß ich auch. Andererseits weiß ich es aber auch nicht, und deswegen stehe ich hier herum und rede Unsinn wie ein aufgeregter Teenager.“ Verärgert stemmte sie die Hände in die Hüften. „Ich kann so was nicht gut! Hilf mir gefälligst.“
„Schön“, seufzte ich. „Fassen wir zusammen: Ich nehme mal an, du bist hier, weil du mir sagen willst, dass Schluss ist. Dass du nicht weitermachen willst mit ... mit dem was, zwischen uns war. Was immer das gewesen sein mag.“
„Es ist nicht deinetwegen“, sagte sie.
„Schon klar“, sagte ich. „War es ja nie, oder?“
Sie atmete durch die Nase aus, ein langsames Seufzen. Sie ließ mich nicht aus den Augen. „Ich habe dich immer gemocht. Lange dachte ich, du wärst gefährlich. Dann sah ich dich in Aktion gegen die Erben Kemmlers und fing an, Respekt vor dir zu bekommen.“ Sie grinste ein leicht schiefes Grinsen. „Du bist ideenreich. Das mag ich.“
„Aber?“, fragte ich.
„Aber jemand hat mich in deine Richtung geschubst“, sagte sie, „und das nervt mich und ...“ Sie begann zu weinen, ohne ihre Haltung oder den Ton zu ändern. „Ich dachte, vielleicht hätte ich es ja geschafft, irgendeine Art von ... Verletzung zu überwinden, eine Narbe zu vergessen. Eine alte Wunde, etwas in der Art. Weil ich dir nähergekommen war und vielleicht noch näher kommen würde, und da habe ich ...“ Sie schüttelte den Kopf, endlich brach auch ihre Stimme, waren ihr die Tränen anzuhören, die ihr über die Wangen liefen. „Ich habe mich jung gefühlt. Alles hat sich angefühlt wie neu.“
Rasch ging ich um den Wagen herum und streckte die Hand nach ihr aus, aber sie zog abwehrend die Schultern hoch, weswegen ich sie lieber doch nicht berührte. „Aber das war eine Lüge!“, fuhr sie fort. „Ich bin alt. Ich bin nicht neu. Ich habe Dinge gesehen und getan, die du ... nicht verstehen kannst, und ich bete, dass du sie nie verstehen musst.“ Sie holte tief Luft. „Das ist doch grotesk! Warum kriege ich es nicht hin, besser damit umzugehen?“
„Was ist denn nicht in Ordnung?“, fragte ich leise. „Ich meine: abgesehen vom Offensichtlichen?“
„Ich brauche wieder Sex!“, fauchte sie. „Es hat mir Spaß gemacht. Großen Spaß. Ich hatte total vergessen, wie unglaublich Sex ist, wie er alles ausschaltet, was man sonst noch im Kopf hat, und ausgerechnet jetzt, in diesem Moment, habe ich Mühe, richtige Sätze zu bilden, weil ich dir am liebsten das Hemd vom Leib reißen möchte. Ich möchte dich in die Schulter beißen, während du noch schwitzt, weil du gerade ...“ Sie biss sich auf die Lippen, ihre Wangen waren feuerrot angelaufen. „Du bist noch keine vierzig!“
Ich lehnte mich an mein Auto, sah Anastasia an und konnte nicht anders: Ich fing an zu lachen.
Sie schüttelte verdrießlich den Kopf, die dunklen Augen glänzend vor Tränen. „Wie soll ich dir denn Befehle erteilen?“, wollte sie wissen. „Wo du und ich ... wo wir all die Dinge getrieben haben, die wir getrieben haben?“
„Nun. Was, wenn ich verspreche, die Bilder nicht im Internet auftauchen zu lassen?“
Sie blinzelte. „Bilder? Das mussein Witz sein! Oder?“
Ich nickte.
„Weil ich davon nämlich in meiner ersten Jugend genug hatte!“, sagte sie. „Es gab in Italien damals zwar noch kein Internet, aber
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