Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition)
Weißen Rat.“
„Wo du dann ja offenbar freigesprochen wurdest.“
Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Aber sie waren der Meinung, ich hätte noch eine zweite Chance verdient. Der Mann, den ich umgebracht habe, wollte nämlich eigentlich mich mit Hilfe von Magie umbringen, und ich habe mich nur verteidigt, um mein Leben zu retten. Die Strafe wurde quasi zur Bewährung ausgesetzt. Morgan war mein Bewährungshelfer.“
„Bewährung?“, erkundigte sich Butters.
„Beim nächsten Regelverstoß sollte er mir den Kopf abschlagen. Das hätte er auch zu gerne getan, weswegen er praktisch ständig hinter mir herschlich, um einen guten Grund auszumachen.“
Butters warf mir einen fragenden Blick zu.
„Der Typ hat mir in den ersten Jahren meines Lebens als Erwachsener ziemliche Kopfschmerzen bereitet. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, ich müsste mich umschauen, nachsehen, ob er gerade da ist. Er hat mich bedrängt und belästigt. Eine Weile hatte ich schreckliche Alpträume, in denen er die Hauptrolle spielte.“ Wenn man es genau nahm, plagten mich diese Träume, in denen mich ein erbarmungsloser Killer im grauen Umhang mit einem fies kalten Schwert in der Hand verfolgte, immer noch.
Butters schickte sich an, die Beinwunde von ihrem durchnässten Verband zu befreien. „Aber jetzt hilfst du ihm?“
Ich zuckte die Achseln. „Er hielt mich für ein gefährliches Tier, das eingeschläfert gehört. Das war seine ehrliche Meinung, und er hat sich einfach entsprechend verhalten.“
Butters bedachte mich mit einem raschen Seitenblick. „Aber jetzt hilfstdu ihm?“
„Er hatte Unrecht, was mich betrifft“, erklärte ich. „Ein Schurke ist er deswegen nicht. Ein Arschloch schon, aber kein Schurke, und nur weil jemand ein Arschloch ist, bringt man ihn nicht gleich um.“
„Ihr habt euch versöhnt, was?“
„So kann man das nun auch wieder nicht sehen.“
Butters lüpfte die Brauen. „Was ist mit ihm? Warum wendet er sich ausgerechnet an dich, wenn er Hilfe braucht?“
„Da müsste ich raten. Ich würde drauf tippen, dass er hier ist, weil meine Wohnung der letzte Ort sein dürfte, wo man ihn vermutet.“
„Himmel hilf!“, murmelte Butters, der inzwischen den improvisierten Verband gelöst hatte und nun eine Wunde von vielleicht sechs Zentimetern Länge vor sich sah, nicht groß also, dafür aber tief. Die Wundränder kräuselten sich wie die Lippen eines kleinen Mundes, und zwischen ihn sickerte sofort wieder Blut hervor. „Wie eine Messerwunde, nur größer!“
„Stammt wahrscheinlich auch von so was wie einem Messer“, sagte ich. „Nur größer.“
„Ein Schwert?“, fragte Butters. „Das kann nicht dein Ernst sein.“
„Die vom Rat sind noch von der alten Garde und altmodisch“, erklärte ich, „und damit meine ich echtaltmodisch.“
Butters schüttelte den Kopf. „Du hast ja gesehen, wie ich mir die Hände gewaschen habe. Wasch sie dir genauso. Zwei bis drei Minuten sollte es schon dauern. Dann zieh dir OP-Handschuhe an und komm wieder her. Ich brauche Hilfe.“
„Mensch, Butters ...“ Ich musste schlucken. „Ob ich da der Richtige ...“
„Oh, leck mich am Arsch, Magierknabe!“ Butters klang verstimmt. „Komm mir nicht mit faulen Ausreden. Wenn es nichts ausmacht, dass ich kein Arzt bin, macht es auch nichts aus, dass du kein Pfleger bist. Wasch deine verdammten Händen und hilf mir, ehe uns der Typ hier wegstirbt.“
Hilflos starrte ich meinen Freund eine Sekunde lang an, dann ging ich mir die verdammten Hände waschen.
Eins kann ich Ihnen verraten: Hübsch war die OP nicht. Irgendwie schwebte da ständig ein ganz lächerliches Gefühl in der Luft, als würde einem hier Intimeres eines anderen Menschen präsentiert, als eigentlich schicklich sein konnte. Was sich ungefähr so anfühlte, als träfe man unverhofft und unbeabsichtigt Vater oder Mutter im Adamskostüm an. Nur war bei einer OP mehr Blut im Spiel. Bestandteile des Körpers lagen frei, die deutlich nicht ins Freie gehörten, und diese Körperteile waren voller Blut. Das Ganze war vage peinlich, ekelerregend und gleichzeitig ganz schön aufwühlend.
„Das hätten wir“, verkündete Butters eine halbe Ewigkeit später. „Du kannst loslassen. Nimm die Hände da weg! Die sind mir im Weg.“
„War die Arterie getroffen?“, wollte ich wissen.
„Grundgütiger, nein! Wer immer da zugestochen hat, die Arterie hat er kaum angekratzt. Sonst wäre der Mann nicht mehr am Leben.“
„Aber jetzt ist alles geregelt,
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