Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition)
Aber wir haben später eine Gedenkfeier für ihn abgehalten, inoffiziell. Es gab jede Menge Geschichten über ihn, und am Schluss waren sich alle einig, dass er ein wirklich herausragendes paranoides, intolerantes Arschloch gewesen ist.“
Murphy lächelte. „Solche Typen kenne ich. Sie können aber dennoch zur Familie gehören, und sie können einem trotz allem fehlen, wenn sie nicht mehr sind.“
Ich musste schlucken. „Genau.“
„Jetzt sag mir, dass du dir keine Vorwürfe machst. Dass du dir nicht die Schuld an seinem Tod gibst.“
„Ich gebe mir nicht die Schuld an seinem Tod. Ich wünschte nur, ich hätte mit meinen Unternehmungen mehr bewegt.“
„Du hast überlebt“, sagte Murphy mit Nachdruck. „Das finde ich unter den gegebenen Umständen eine gute Leistung.“
„Kann sein.“ Ich zuckte die Achseln.
„Ich habe mir das Mobiltelefon vorgeknöpft, das du geschickt hattest.“ Damit war Madelines Handy gemeint, das Binder mir gegeben hatte.
„Was hast du gefunden?“
„Die Rufnummern von ziemlich vielen Leute, die verschwunden sind. Wo ist der Besitzer des Handys?“
„Bei den Verschwundenen.“
Murphys Lippen wurden zu einem schmalen Strich. „Es gab eine Menge Anrufe bei einer bestimmten Nummer, die ich orten konnte: einer Nummer in Algerien. Eine weitere mehrfach auftauchende Nummer gehört jemandem in Ägypten. Es scheint sich in beiden Fällen um Gaststätten zu handeln.“ Sie zog eine Karteikarte aus der Tasche und reichte sie mir. Darauf standen die Namen und Adressen von zwei Restaurants.
„Was kann das sein?“, wollte sie wissen.
„Keine Ahnung. Madelines Kontakte zum Schwarzen Rat? Vielleicht aber auch nicht. Eventuell hat es gar nichts mit uns zu tun.“
„Wäre es wichtig, das herauszufinden?“
„Keine Ahnung. Lass uns die Sache erst mal unter ‚abwarten und Tee trinken’ ablegen.“
„Gott, wie ich dieAkte hasse!“, seufzte Murphy. „Wie geht es Thomas?“
Ich zuckte die Achseln und betrachtete aufmerksam meine Hände. „Keine Ahnung.“
***
Meine Wohnung war eine Ruine. Nun konnte man sie kaum je mit einem Operationssaal vergleichen – außer vielleicht unmittelbar nach Morgans Auftauchen –, aber die letzten hektischen Tage, das ewige Kommen und Gehen, die Versorgung diverser Verwundeter und die Unterbringung des schwerverletzten Morgan hatten ein paar Flecken hinterlassen, die sogar die Kräfte meines Feenpersonals überstiegen. Meine Matratze war nicht mehr zu retten, das Bettzeug schon gar nicht und auch nicht der Teppich, mit dessen Hilfe wir den bewusstlosen Morgan transportiert hatten. Blut- und Schweißflecken waren etwas für die chemische Reinigung, wofür sich meine Haus-Feen anscheinend nicht zuständig fühlten.
Um alles andere hatten sie sich gekümmert, aber auch für mich blieb noch genug zu tun, und Matratzenschleppen war nie eine freudvolle Tätigkeit. Schon gar nicht, wenn man gerade von einem übernatürlichen Schwergewicht zusammengeschlagen und wenig später von einem finsteren Verräter sozusagen aus Jux und Tollerei auch noch niedergestochen worden war.
Ächzend machte ich mich trotz allem an die Wiederherstellung der Ordnung in meinem Heim und war gerade dabei, die Matratze nach draußen zu schleppen, um sie auf mein Auto zu binden und später zur Mülldeponie zu schaffen, als Luccio auftauchte.
Sie kam in grauer Hose und weißem T-Shirt, in der Hand eine schwarze Sporttasche, in der sich, wie ich genau wusste, unter anderem ihr ziemlich kurzer Stab, ihr Wächterschwert und noch ein paar andere nützliche Utensilien befanden. Hose und T-Shirt waren neu – ich brauchte ein bisschen, bis ich mich erinnerte, dass sie solche Klamotten gern getragen hatte, als ich sie kennenlernte. Damals, als sie noch einen anderen Körper bewohnte.
„Hallo“, schnaufte ich bei ihrem Anblick – ich hatte, wie gesagt, eine Matratze auf dem Buckel. „Bin gleich fertig.“
„Lass mich helfen“, schlug sie vor. Zusammen wuchteten wir die Matratze auf das Käferdach und zurrten sie mit einer Wäscheleine fest. Luccio überprüfte sorgfältig sämtliche Knoten auf Sitz und Festigkeit, ehe sie sich ans Auto lehnte und mich ansah.
Ich erwiderte den Blick.
„Rashid sagt, er hätte mit dir gesprochen“, fing sie an.
Ich nickte. „Wollte mich dir nicht aufdrängen.“
„Das weiß ich zu schätzen. Tatsächlich sogar sehr.“ Sie sah betreten zur Seite. Mouse, der sich auf der Türschwelle hemmungslos seinem Faulheitsschlaf hingegeben
Weitere Kostenlose Bücher