Harry Potter - Gesamtausgabe
beiden hielten Hermines Quidditch-Kenntnisse für kümmerlich.
»Richtig«, bestätigte Scrimgeour. »Ein Schnatz kommt nicht in Kontakt mit bloßer Haut, ehe er freigegeben wird, nicht einmal mit der des Herstellers, der Handschuhe trägt. Ein Zauber liegt auf ihm, durch den er den ersten Menschen identifizieren kann, der ihn in die Hände bekam, falls es umstritten sein sollte, wer ihn gefangen hat. Dieser Schnatz«, er hielt den kleinen goldenen Ball empor, »wird sich immer an Ihre Berührung erinnern, Potter. Ich könnte mir vorstellen, dass Dumbledore, der, einmal abgesehen von seinen sonstigen Fehlern, gewaltige magische Fähigkeiten besaß, diesen Schnatz vielleicht verzaubert hat, damit er sich nur für Sie öffnet.«
Harrys Herz schlug ziemlich schnell. Er war überzeugt, dass Scrimgeour Recht hatte. Wie konnte er es vermeiden, den Schnatz vor den Augen des Ministers in seine bloße Hand zu nehmen?
»Sie schweigen«, sagte Scrimgeour. »Womöglich wissen Sie bereits, was der Schnatz enthält?«
»Nein«, sagte Harry, der immer noch überlegte, wie er vortäuschen konnte, den Schnatz anzufassen, ohne es tatsächlich zu tun. Wenn er nur Legilimentik beherrschen würde, und zwar richtig, dann könnte er jetzt Hermines Gedanken lesen; er konnte ihr Gehirn praktisch neben sich rattern hören.
»Nehmen Sie ihn«, sagte Scrimgeour ruhig.
Harry sah in Scrimgeours gelbe Augen, und er wusste, dass er keine andere Wahl hatte, als zu gehorchen. Er streckte die Hand aus, und Scrimgeour beugte sich erneut vor und legte den Schnatz langsam und bedächtig in Harrys Handfläche.
Nichts geschah. Als Harrys Finger sich um den Schnatz schlossen, flatterten dessen Flügel müde und regten sich dann nicht mehr. Scrimgeour, Ron und Hermine starrten nach wie vor begierig auf den nun teilweise verdeckten Ball, als hofften sie immer noch, er würde sich irgendwie verwandeln.
»Das war spannend«, sagte Harry kühl. Ron und Hermine lachten.
»Das wär’s dann, nicht wahr?«, fragte Hermine und wollte sich schon vom Sofa hochstemmen.
»Nicht ganz«, sagte Scrimgeour, der jetzt missgelaunt dreinblickte. »Dumbledore hat Ihnen noch etwas anderes hinterlassen, Potter.«
»Was denn?«, fragte Harry, erneut aufgeregt.
Scrimgeour machte sich diesmal nicht die Mühe, aus dem Testament vorzulesen.
»Das Schwert von Godric Gryffindor«, sagte er.
Hermine und Ron erstarrten. Harry schaute sich um, ob er den rubinbesetzten Griff irgendwo sehen konnte, aber Scrimgeour zog das Schwert nicht aus dem Lederbeutel, der sowieso viel zu klein dafür wirkte.
»Und wo ist es?«, fragte Harry argwöhnisch.
»Leider«, sagte Scrimgeour, »stand es Dumbledore nicht zu, dieses Schwert zu verschenken. Das Schwert von Godric Gryffindor ist ein bedeutendes historisches Artefakt und als solches gehört es –«
»Es gehört Harry!«, sagte Hermine erzürnt. »Es hat ihn auserwählt, er war derjenige, der es gefunden hat, es kam zu ihm aus dem Sprechenden Hut heraus –«
»Verlässlichen historischen Quellen zufolge kann sich das Schwert in den Dienst eines jeden würdigen Gryffindors stellen«, sagte Scrimgeour. »Das macht es nicht zum alleinigen Eigentum von Mr Potter, was auch immer Dumbledore beschlossen haben mag.« Scrimgeour kratzte sich an seiner schlecht rasierten Wange und musterte Harry. »Warum, glauben Sie –?«
»– wollte Dumbledore mir das Schwert geben?«, sagte Harry, der nur mühsam seine Wut zügelte. »Vielleicht dachte er, es würde sich hübsch an meiner Wand machen.«
»Das ist kein Witz, Potter!«, knurrte Scrimgeour. »War es, weil Dumbledore glaubte, dass nur das Schwert von Godric Gryffindor den Erben von Slytherin besiegen kann? Wollte er Ihnen das Schwert geben, Potter, weil er wie viele andere glaubte, dass Sie der Ausersehene sind, der Ihn, dessen Name nicht genannt werden darf, vernichten wird?«
»Interessante Theorie«, sagte Harry. »Hat irgendjemand schon mal versucht, ein Schwert in Voldemort hineinzustechen? Vielleicht sollte das Ministerium ein paar Leute darauf ansetzen, statt seine Zeit damit zu verschwenden, irgendwelche Deluminatoren auseinanderzunehmen oder Ausbrüche aus Askaban zu vertuschen. War es also das, womit Sie beschäftigt waren, Minister, als Sie sich in Ihrem Büro eingeschlossen hatten, haben Sie versucht, einen Schnatz aufzubrechen? Menschen sterben, um ein Haar wäre ich auch tot gewesen, Voldemort hat mich quer über drei Grafschaften verfolgt, er hat Mad-Eye Moody getötet,
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