Harry Potter und der Feuerkelch
aufrichtig sagen konnte, dass er sich je so gefühlt hätte.
»Dann ist es an der Zeit für mich«, sagte Dumbledore und deutete auf die Steinschale, »das Denkarium zu benutzen. Man saugt einfach die überschüssigen Gedanken aus seinem Kopf, versenkt sie in der Schale und schaut sie sich je nach Laune wieder an. Es wird dann leichter, Muster und Verknüpfungen zu erkennen, wenn sie in dieser Gestalt aufbewahrt sind, verstehst du.«
»Sie meinen … dieses Zeug hier, das sind Ihre Gedanken?«, fragte Harry und starrte auf die wirbelnde weiße Substanz in der Schale.
»Natürlich«, sagte Dumbledore. »Ich zeig’s dir.«
Er zog den Zauberstab aus dem Umhang und legte dessen Spitze an seinen silbernen Haarschopf nahe der Schläfe. Als er den Zauberstab wegzog, schienen seine Haare daran zu kleben – doch dann sah Harry, dass es in Wahrheit ein glitzernder Faden ebenjener merkwürdigen, silbrig weißen Substanz im Denkarium war. Dumbledore fügte seinen frischen Gedanken der Schale hinzu und Harry sah verblüfft sein eigenes Gesicht auf der Oberfläche der Substanz schwimmen.
Dumbledore legte seine schlanken Hände zu beiden Seiten auf die Schale und versetzte ihr einen kleinen Dreh, ein wenig wie ein Goldgräber, der in seinem Sieb nach Goldklümpchen sucht … und Harry sah, wie sein Gesicht ganz sanft in das von Snape überging, der den Mund öffnete und zur Decke sprach, mit leise widerhallender Stimme. »Es kommt zurück … das von Karkaroff auch … stärker und deutlicher denn je …«
»Ein Zusammenhang, auf den ich auch ohne Hilfe hätte kommen können«, seufzte Dumbledore, »aber sei’s drum.« Er sah Harry über seine Halbmondgläser hinweg an, der wiederum mit offenem Mund Snapes Gesicht anstarrte, das immer noch in der Schale umherwirbelte. »Ich hatte das Denkarium gerade benutzt, als Mr Fudge zu unserer Besprechung eintraf, und es dann recht hastig weggestellt. Zweifellos habe ich die Schranktür nicht richtig zugemacht. Kein Wunder, dass es dann deine Aufmerksamkeit angezogen hat.«
»Tut mir leid«, murmelte Harry.
Dumbledore schüttelte den Kopf.
»Neugier ist keine Sünde«, sagte er. »Aber wir sollten sie mit Umsicht walten lassen … ja, in der Tat …«
Die Stirn in sanfte Falten gelegt, rührte er mit der Spitze seines Zauberstabs die Gedanken in der Schale ein wenig durch. Nicht lange, und eine Gestalt erhob sich daraus, die eines plumpen, missmutig blickenden Mädchens um die sechzehn. Die Füße noch in der Schale, begann sie sich langsam zu drehen. Von Harry oder Professor Dumbledore nahm sie keinerlei Notiz. Nun sprach sie, und ihre Stimme hallte wie die Snapes im Raum wider, als ob sie aus der Tiefe eines steinernen Beckens dringen würde. »Er hat mich verhext, Professor Dumbledore, und ich wollte ihn doch nur ein wenig ärgern, Sir, ich hab doch nur gesagt, ich hätte ihn letzten Donnerstag gesehen, wie er mit Florence hinter den Gewächshäusern geknutscht hat …«
»Aber warum, Bertha«, sagte Dumbledore traurig und sah zu dem sich still um sich selbst drehenden Mädchen hoch, »warum musstest du ihm überhaupt nachschleichen?«
»Bertha?«, flüsterte Harry und sah zu ihr auf. »Ist das – war das Bertha Jorkins?«
»Ja«, sagte Dumbledore und rührte noch einmal durch die Gedanken in der Schale; Bertha versank in ihnen und sie wurden erneut silbern und undurchsichtig. »Das war die Bertha, wie sie mir als Schülerin in Erinnerung ist.«
Das Silberlicht aus dem Denkarium erhellte Dumbledores Gesicht, und plötzlich fiel Harry auf, wie alt er aussah. Er wusste natürlich, dass Dumbledore allmählich in die Jahre kam, doch irgendwie hatte er sich ihn nie als alten Mann vorgestellt.
»Nun, Harry«, sagte Dumbledore leise. »Bevor du dich in meinen Gedanken verloren hast, wolltest du mir etwas sagen.«
»Ja«, sagte Harry. »Professor – ich war vorhin in Wahrsagen und – ähm – bin da eingeschlafen.«
Er zögerte, unsicher, ob Dumbledore ihn tadeln würde, doch Dumbledore sagte nur: »Durchaus verständlich. Erzähl weiter.«
»Ich hatte einen Traum«, sagte Harry. »Einen Traum von Lord Voldemort. Er hat Wurmschwanz gefoltert … Sie kennen Wurmschwanz –«
»Ja, allerdings«, antwortete Dumbledore rasch. »Bitte fahr fort.«
»Eine Eule hatte Voldemort einen Brief überbracht. Er sagte etwas von wegen, Wurmschwanz’ Fehler sei ausgemerzt. Jemand sei tot. Und er würde Wurmschwanz nicht der Schlange zum Fraß vorwerfen – da war eine Schlange neben
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