Harry Potter und der Gefangene von Askaban
sagte Hermine, die Hand immer noch nach oben gestreckt, »der Werwolf ist vom echten Wolf durch mehrere kleine Merkmale zu unterscheiden. Die Schnauze des Werwolfs –«
»Das ist das zweite Mal, dass Sie einfach reinreden, Miss Granger«, sagte Snape kühl. »Noch einmal fünf Punkte Abzug für Gryffindor, weil Sie eine unerträgliche Alleswisserin sind.«
Hermine wurde puterrot, ließ die Hand sinken und starrte mit wässrigen Augen zu Boden. Wie sehr sie alle Snape hassten, erwies sich jetzt, als die ganze Klasse ihn mit zornfunkelnden Augen anstarrte, obwohl jeder von ihnen Hermine irgendwann einmal eine Alleswisserin genannt hatte, und Ron, der Hermine mindestens zweimal die Woche so nannte, sagte laut:
»Sie haben uns eine Frage gestellt und sie weiß die Antwort! Warum fragen Sie eigentlich, wenn Sie es doch nicht wissen wollen?«
Noch während Ron sprach, erkannte die Klasse, dass er zu weit gegangen war. Snape ging langsam auf Ron zu und ringsum hielten sie den Atem an.
»Strafarbeit, Weasley«, sagte Snape mit öliger Stimme, das Gesicht ganz nahe an dem Rons. »Und wenn ich noch einmal höre, dass Sie meine Unterrichtsweise kritisieren, dann wird Ihnen das wirklich leidtun.«
Während der restlichen Stunde machte keiner einen Mucks. Sie saßen da und schrieben das Kapitel über die Werwölfe aus dem Schulbuch ab, während Snape an den Pultreihen entlang Streife ging und die Arbeiten prüfte, die sie bei Professor Lupin geschrieben hatten.
»Ganz schlecht erklärt … das ist nicht richtig, der Kappa kommt häufiger in der Mongolei vor … Professor Lupin hat dafür acht von zehn Punkten gegeben? Bei mir hätten Sie keine drei bekommen …«
Als es endlich läutete, hielt Snape sie zurück.
»Sie schreiben einen Aufsatz über die Frage, wie man einen Werwolf erkennt und tötet. Ich will bis Montagmorgen zwei Rollen Pergament darüber sehen. Wird Zeit, dass einer die Klasse in den Griff kriegt. Weasley, Sie bleiben noch, wir müssen über Ihre Strafarbeit sprechen.«
Harry und Hermine gingen mit den andern hinaus und warteten, bis sie außer Hörweite waren, dann brachen sie in wüste Beschimpfungen über Snape aus.
»Snape hat sich noch nie dermaßen ausgelassen über unsere anderen Lehrer in Verteidigung gegen die dunklen Künste, auch wenn er die Stelle gerne haben wollte«, sagte Harry zu Hermine. »Warum hat er es auf Lupin abgesehen? Glaubst du, das liegt alles an diesem Irrwicht?«
»Ich weiß nicht«, sagte Hermine nachdenklich. »Aber ich hoffe wirklich, dass es Professor Lupin bald besser geht …«
Fünf Minuten später holte Ron sie ein und er schäumte vor Wut.
»Wisst ihr, was dieser –« (er gebrauchte einen Namen für Snape, auf den hin Hermine »Ron!« rief) »– mir aufgehalst hat? Ich muss die Bettpfannen im Krankenflügel putzen! Ohne Zaubern!« Er atmete schwer und ballte die Fäuste. »Hätte sich Black doch nur in Snapes Büro versteckt! Er hätte ihn für uns erledigen können!«
Am nächsten Morgen wachte Harry ungewöhnlich früh auf, so früh, dass es noch dunkel war. Einen Moment lang glaubte er, das Heulen des Windes hätte ihn aufgeweckt, dann spürte er eine kalte Brise auf seinem Nacken und setzte sich jäh kerzengerade auf – Peeves, der Poltergeist, war ganz nahe an ihm vorbeigeschwebt und hatte ihm heftig ins Ohr gepustet.
»Was soll das denn?«, zischte Harry wütend.
Peeves blies die Backen auf, pustete kräftig und schwebte rücklings und gackernd aus dem Schlafsaal hinaus.
Harry tastete nach seinem Wecker und sah auf das Zifferblatt. Es war halb fünf. Er verfluchte Peeves, drehte sich um und versuchte wieder einzuschlafen, doch nun, da er wach lag, konnte er den rollenden Donner über seinem Kopf, das Rütteln des Windes an den Fenstern und das ferne Ächzen der Bäume im Verbotenen Wald nicht überhören. In ein paar Stunden würde er draußen auf dem Quidditch-Feld sein und gegen dieses Unwetter ankämpfen. Schließlich gab er die Hoffnung auf, wieder einzuschlafen, stieg aus dem Bett, zog sich an, griff nach seinem Nimbus Zweitausend und ging leise aus dem Schlafsaal.
Als Harry die Tür öffnete, streifte etwas sein Bein. Er bückte sich und bekam gerade noch Krummbeins Schwanzende zu fassen. Er zog ihn nach draußen.
»Weißt du, ich fürchte, Ron hat Recht mit dem, was er über dich sagt«, erklärte Harry Krummbein argwöhnisch. »Hier gibt es genug Mäuse, also geh und jag sie. Los, zieh ab«, fügte er hinzu und schubste Krummbein mit dem
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