Harry Potter und der Halbblutprinz
schaute sich um. »Aber ich dachte, Sie hätten vielleicht die Mundharmonika oder so was.«
Dumbledore sah ihn über den Rand seiner Halbmondbrille hinweg mit einem breiten Lächeln an.
»Sehr scharfsinnig, Harry, aber die Mundharmonika war immer nur eine Mundharmonika.«
Und mit dieser rätselhaften Bemerkung winkte er Harry zu, der verstand, dass er nun entlassen war.
Felix Felicis
Am nächsten Morgen hatte Harry als Erstes Kräuterkunde. Er hatte Ron und Hermine beim Frühstück nichts von seiner Unterrichtsstunde bei Dumbledore erzählen können, aus Furcht, dass jemand anderes etwas mitbekam, doch auf dem Weg durch die Gemüsebeete hinüber zu den Gewächshäusern holte er es nach. Der scharfe Wind vom Wochenende hatte sich endlich gelegt; der eigenartige Nebel war zurückgekehrt, und sie brauchten ein wenig länger als gewöhnlich, um das richtige Gewächshaus zu finden.
»Wow, ganz schön gruselig, sich Du-weißt-schon-wen als kleinen Jungen vorzustellen«, sagte Ron leise, als sie ihre Plätze rund um die knorrigen Snargaluff-Stümpfe einnahmen, die das Projekt dieses Trimesters waren, und sich ihre Schutzhandschuhe überzogen. »Aber ich versteh immer noch nicht, warum dir Dumbledore das alles zeigt. Ich meine, es ist wirklich interessant und alles, aber was soll das?«
»Keine Ahnung«, sagte Harry und setzte sich einen Mundschutz ein. »Aber er sagt, dass es äußerst wichtig ist und dass es mir helfen wird, zu überleben.«
»Ich finde es faszinierend«, bemerkte Hermine ernst. »Es ist absolut vernünftig, so viel wie möglich über Voldemort zu wissen. Wie sonst willst du seine Schwächen herausfinden?«
»Wie war übrigens Slughorns letzte Party?«, fragte Harry sie dumpf durch den Mundschutz.
»Oh, die war ziemlich lustig, echt«, sagte Hermine, die jetzt eine Schutzbrille aufsetzte. »Na ja, er langweilt uns zwar ein bisschen mit seinen dauernden Geschichten von berühmten Ehemaligen, und er schwänzelt total vor McLaggen rum, weil der so tolle Beziehungen hat, aber es gab was richtig Gutes zu essen bei ihm und er hat uns Gwenog Jones vorgestellt.«
»Gwenog Jones?«, sagte Ron und seine Augen weiteten sich unter seiner Schutzbrille. »Die Gwenog Jones? Kapitänin der Holyhead Harpies?«
»Genau«, sagte Hermine. »Mir persönlich kam sie ein bisschen eingebildet vor, aber –«
»Nun ist es aber genug mit dem Gequassel dort drüben!«, sagte Professor Sprout energisch und eilte mit strenger Miene herbei. »Sie sind die Letzten, alle anderen haben bereits angefangen und Neville hat schon seinen ersten Kokon!«
Sie blickten sich um; tatsächlich, da saß Neville mit einer blutigen Lippe und ein paar üblen Kratzern seitlich im Gesicht, aber er umklammerte ein unangenehm pulsierendes grünes Etwas, ungefähr so groß wie eine Pampelmuse.
»Okay, Professor, wir fangen jetzt an!«, sagte Ron, und als sie sich wieder umgedreht hatte, fügte er leise hinzu: »Hätten den Muffliato nehmen sollen, Harry.«
»Nein, hätten wir nicht!«, wandte Hermine sofort ein und setzte wie üblich beim Gedanken an den Halbblutprinzen und seine Zauber ein äußerst mürrisches Gesicht auf. »Also, nun macht schon … wird Zeit, dass wir endlich loslegen.«
Sie warf den beiden anderen einen bangen Blick zu; sie holten alle tief Luft und warfen sich auf den knorrigen Stumpf zwischen ihnen.
Augenblicklich kam Leben in ihn; lange, stachlige, brombeerartige Ranken wucherten oben aus ihm heraus und peitschten durch die Luft. Eine verhedderte sich in Hermines Haar und Ron schlug sie mit einer Gartenschere zurück; Harry gelang es, einige Ranken einzufangen und sie zusammenzuknoten; mitten in all den tentakelartigen Zweigen tat sich ein Loch auf; Hermine tauchte den Arm mutig in dieses Loch, das sich wie eine Falle um ihren Ellbogen schloss; Harry und Ron zogen und zerrten an den Ranken und bekamen das Loch mit Gewalt wieder auf, Hermine riss blitzschnell ihren Arm heraus und hielt einen Kokon in den Fingern, der genau wie der von Neville aussah. Sofort schossen die stachligen Ranken wieder nach innen und der knorrige Stumpf lag da wie ein harmloses Stück totes Holz.
»Wisst ihr, ich glaub nicht, dass ich eins von diesen Dingern in meinem Garten haben werde, wenn ich mal mein eigenes Haus hab«, sagte Ron, schob sich die Schutzbrille auf die Stirn und wischte sich den Schweiß vom Gesicht.
»Reicht mir mal eine Schale«, sagte Hermine, die den pulsierenden Kokon mit ausgestrecktem Arm von sich weghielt.
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