Harry Potter und der Halbblutprinz
die Arnold den Minimuff auf der Schulter hatte und zu deren Füßen Krummbein hoffnungsvoll miaute.
»Suchst du nach Ron?«, fragte sie feixend. »Der ist da drüben, der elende Heuchler.«
Harry sah hinüber in die Ecke, auf die sie deutete. Dort, vor aller Augen, stand Ron so eng mit Lavender Brown verschlungen, dass schwer zu sagen war, welche Hände wem gehörten.
»Sieht aus, als würde er ihr Gesicht aufessen, was?«, sagte Ginny trocken. »Aber ich denke mal, seine Technik muss er noch irgendwie verfeinern. Gutes Spiel, Harry.«
Sie tätschelte ihm den Arm; Harry hatte ein Sturzfluggefühl im Magen, doch dann ging sie weg, um sich ein neues Butterbier zu holen. Krummbein trottete hinter ihr her, die gelben Augen starr auf Arnold gerichtet.
Harry wandte sich von Ron ab, der nicht den Eindruck machte, als würde er bald auftauchen, und sah gerade noch, wie das Porträtloch zuging. Mit einem schalen Gefühl dachte er, er hätte eine Mähne buschiges braunes Haar davonwehen sehen.
Er stürmte los, wich noch einmal Romilda Vane aus und stieß das Porträt der fetten Dame auf. Der Gang draußen schien verlassen.
»Hermine?«
Er fand sie im ersten unverschlossenen Klassenzimmer, das er ausprobierte. Sie saß auf dem Lehrerpult, ganz allein, bis auf ein paar zwitschernde gelbe Vögel, die in einem kleinen Kreis um ihren Kopf herumflatterten und die sie offensichtlich gerade aus dem Nichts heraufbeschworen hatte. Harry musste sie einfach für ihre magischen Künste bewundern, und dann noch zu einem Zeitpunkt wie diesem.
»Oh, hallo, Harry«, sagte sie mit brüchiger Stimme. »Ich bin nur am Üben.«
»Jaah … die – äh – sind wirklich gut …«, sagte Harry.
Er hatte keine Ahnung, was er sagen sollte. Er fragte sich gerade, ob es irgendeine Chance gab, dass sie Ron nicht bemerkt hatte, dass sie den Raum einfach nur verlassen hatte, weil ihr die Party ein wenig zu lärmig war, da sagte sie mit unnatürlich hoher Stimme: »Ron scheint sich auf dem Fest ja bestens zu amüsieren.«
»Ähm … tatsächlich?«, sagte Harry.
»Tu nicht so, als hättest du ihn nicht gesehen«, erwiderte Hermine. »Er hat es ja nicht gerade verheimlicht, nicht wa–«
Die Tür hinter ihnen sprang auf. Zu Harrys Entsetzen kam Ron herein, er lachte und zog Lavender an der Hand mit sich.
»Oh«, sagte er und blieb schlagartig stehen, als er Harry und Hermine sah.
»Uups!«, machte Lavender, kicherte und ging rückwärts aus dem Raum. Die Tür schlug hinter ihr zu.
Eine schreckliche, anschwellende, sich aufblähende Stille trat ein. Hermine starrte Ron an, der absichtlich nicht zu ihr hinschaute und nur mit einer seltsamen Mischung aus gespielter Kühnheit und Verlegenheit sagte: »Hi, Harry! Hab mich schon gewundert, wo du steckst!«
Hermine rutschte vom Pult herunter. Der kleine Schwarm goldener Vögel zwitscherte weiter im Kreis um ihren Kopf herum, so dass sie aussah wie ein merkwürdiges gefiedertes Modell des Sonnensystems.
»Du solltest Lavender nicht draußen warten lassen«, sagte sie leise. »Sie wird sich fragen, wo du geblieben bist.«
Sie ging ganz langsam und aufrecht in Richtung Tür. Harry warf einen raschen Blick auf Ron, der erleichtert schien, dass nichts Schlimmeres passiert war.
»Oppugno!«, ertönte ein Schrei von der Tür her.
Harry wirbelte herum und sah Hermine mit zornentbranntem Gesicht ihren Zauberstab auf Ron richten: Der kleine Vogelschwarm raste wie ein Hagel von dicken goldenen Gewehrkugeln auf Ron zu, der aufjaulte und sein Gesicht mit den Händen bedeckte, doch die Vögel griffen an, pickten und krallten sich in jedes bisschen Fleisch, das sie erwischen konnten.
»Machdieweg!«, schrie er, doch mit einem letzten Blick voll rachsüchtiger Wut riss Hermine die Tür auf und verschwand. Harry glaubte ein Schluchzen zu hören, ehe die Tür zuschlug.
Der Unbrechbare Schwur
Wieder wirbelte Schnee gegen die vereisten Fenster; es ging stark auf Weihnachten zu. Hagrid hatte die üblichen zwölf Weihnachtsbäume für die Große Halle bereits eigenhändig herbeigeschafft; Girlanden aus Stechpalmenzweigen und Lametta rankten sich um die Treppengeländer; immer währende Kerzen leuchteten aus den Helmen der Rüstungen und dicke Büschel Mistelzweige hingen in Abständen entlang der Korridore. Wenn Harry unterwegs war, versammelten sich unter den Mistelzweigen oft große Mädchengruppen und blockierten die Gänge. Doch zum Glück kannte sich Harry dank seiner häufigen nächtlichen Streifzüge
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