Harry Potter und der Halbblutprinz
Büros landete, setzte Dumbledore sich schon wieder hinter seinen Schreibtisch. Auch Harry nahm Platz und wartete, dass Dumbledore das Wort ergriff.
»Ich habe sehr lange Zeit auf dieses Beweisstück gewartet«, sagte Dumbledore schließlich. »Es bestätigt die Theorie, an der ich arbeite, es sagt mir, dass ich Recht habe, und auch, welch weiter Weg noch zu gehen ist …«
Harry fiel plötzlich auf, dass ausnahmslos alle ehemaligen Schulleiterinnen und Schulleiter in den Porträts an den Wänden ringsumher wach waren und ihrem Gespräch lauschten. Ein beleibter Zauberer mit roter Nase hatte sogar ein Hörrohr hervorgeholt.
»Nun, Harry«, sagte Dumbledore, »ich bin sicher, du hast die Bedeutung dessen, was wir eben gehört haben, verstanden. Als Tom Riddle so alt war wie du jetzt, vielleicht ein paar Monate älter oder jünger, hat er alles getan, was er nur konnte, um herauszufinden, wie er Unsterblichkeit erringen könnte.«
»Dann glauben Sie also, dass es ihm gelungen ist, Sir?«, fragte Harry. »Er hat einen Horkrux gemacht? Und deshalb ist er nicht gestorben, als er mich angegriffen hat? Er hatte irgendwo einen Horkrux versteckt? Ein Stück seiner Seele war sicher?«
»Ein Stück … oder mehrere«, sagte Dumbledore. »Du hast Voldemort gehört: Er wollte von Horace vor allem eine Meinung darüber, was einem Zauberer passieren würde, der mehr als einen Horkrux erzeugte, was einem Zauberer passieren würde, der so entschlossen wäre, dem Tod zu entgehen, dass er bereit wäre, viele Male zu morden, seine Seele mehrmals zu zerteilen und sie in vielen, separat versteckten Horkruxen aufzubewahren. Kein Buch hätte ihm dieses Wissen liefern können. Soweit ich weiß – soweit, da bin ich sicher, Voldemort wusste –, hatte kein Zauberer jemals gewagt, seine Seele in mehr als zwei Teile zu reißen.«
Dumbledore hielt einen Moment inne, ordnete seine Gedanken und sagte dann: »Vor vier Jahren erhielt ich etwas, das ich für einen sicheren Beweis hielt, dass Voldemort seine Seele aufgespaltet hatte.«
»Wo?«, fragte Harry. »Wie?«
»Du hast ihn mir gebracht, Harry«, sagte Dumbledore. »Das Tagebuch, Riddles Tagebuch, das die Anweisungen gab, wie die Kammer des Schreckens von neuem zu öffnen war.«
»Ich verstehe nicht, Sir«, sagte Harry.
»Nun, zwar habe ich den Riddle, der aus dem Tagebuch kam, nicht selber gesehen, doch hast du mir ein Phänomen beschrieben, das ich noch nie erlebt hatte. Ein bloßes Gedächtnis, das anfängt, von allein zu handeln und zu denken? Ein bloßes Gedächtnis, das dem Mädchen, in dessen Hände es gefallen war, das Leben aussaugt? Nein, etwas viel Unheilvolleres hatte in diesem Buch gelebt … ein Bruchstück einer Seele, da war ich mir fast sicher. Das Tagebuch war ein Horkrux gewesen. Doch dies warf ebenso viele Fragen auf, wie es beantwortete. Was mich am meisten interessierte und beunruhigte, war die Tatsache, dass das Tagebuch gleichzeitig als Waffe und als Schutz dienen sollte.«
»Ich verstehe immer noch nicht«, sagte Harry.
»Nun, es hat funktioniert, wie ein Horkrux funktionieren soll – mit anderen Worten, das Bruchstück der Seele, das in seinem Innern verborgen war, wurde sicher aufbewahrt und erfüllte zweifellos seine Aufgabe, den Tod seines Besitzers zu verhindern. Doch es konnte keinen Zweifel daran geben, dass Riddle tatsächlich wollte, dass das Tagebuch gelesen wird, dass er wollte, dass dieser Teil seiner Seele jemand anderen bewohnte oder in Besitz nahm, damit Slytherins Monster wieder freigelassen würde.«
»Nun ja, er wollte nicht, dass seine harte Arbeit vergeblich war«, sagte Harry. »Er wollte die Leute wissen lassen, dass er Slytherins Erbe ist, denn er konnte zur damaligen Zeit den Ruhm noch nicht für sich in Anspruch nehmen.«
»Völlig richtig«, sagte Dumbledore und nickte. »Aber sieh mal, Harry, wenn er die Absicht hatte, dass das Tagebuch einem künftigen Hogwarts-Schüler gegeben oder untergeschoben werden sollte, dann ging er bemerkenswert kaltblütig mit jenem wertvollen Bruchstück seiner Seele um, das darin verborgen war. Wie Professor Slughorn erklärt hat, besteht der Zweck eines Horkruxes darin, einen Teil des Selbst versteckt und sicher aufzubewahren, und nicht darin, ihn irgendjemandem vor die Füße zu werfen und damit das Risiko einzugehen, dass der Betreffende es vielleicht zerstört – wie es dann ja auch tatsächlich geschehen ist: Dieses spezielle Bruchstück seiner Seele existiert nicht mehr; dafür hast du
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