Harry Potter und der Stein der Weisen
und jüngsten ihrer Söhne. Er war hoch gewachsen, dünn und schlaksig, hatte Sommersprossen, große Hände und Füße und eine kräftige Nase.
»Ja«, sagte Harry. »Die Sache ist die … ist nämlich die, ich weiß nicht, wie ich …«
»Wie du zum Gleis kommen sollst?«, sagte sie freundlich und Harry nickte.
»Keine Sorge«, sagte sie. »Du läufst einfach schnurstracks auf die Absperrung vor dem Bahnsteig für die Gleise neun und zehn zu. Halt nicht an und hab keine Angst, du könntest dagegenknallen, das ist sehr wichtig. Wenn du nervös bist, dann renn lieber ein bisschen. Nun geh, noch vor Ron.«
»Ähm – ja«, sagte Harry.
Er drehte seinen Gepäckwagen herum und blickte auf die Absperrung. Sie machte einen sehr stabilen Eindruck.
Langsam ging er auf sie zu. Menschen auf dem Weg zu den Gleisen neun oder zehn rempelten ihn an. Harry beschleunigte seine Schritte. Er würde direkt in diesen Fahrkartenschalter knallen und dann säße er in der Patsche. Er lehnte sich, auf den Wagen gestützt, nach vorn und stürzte nun schwer atmend los – die Absperrung kam immer näher – anhalten konnte er nun nicht mehr – der Gepäckkarren war außer Kontrolle – noch ein halber Meter – er schloss die Augen, bereit zum Aufprall –
Nichts geschah … Harry rannte weiter … er öffnete die Augen.
Eine scharlachrote Dampflok stand an einem Bahnsteig bereit, der voller Menschen war. Auf einem Schild über der Lok stand Hogwarts-Express, 11 Uhr . Harry warf einen Blick über die Schulter und sah an der Stelle, wo der Fahrkartenschalter gestanden hatte, ein schmiedeeisernes Tor und darauf die Worte Gleis neundreiviertel . Er hatte es geschafft.
Die Lok blies Dampf über die Köpfe der schnatternden Menge hinweg, während sich hie und da Katzen in allen Farben zwischen den Beinen der Leute hindurchschlängelten. Durch das Geschnatter der Wartenden und das Kratzen der schweren Koffer schrien sich Eulen gegenseitig etwas mürrisch an.
Die ersten Waggons waren schon dicht mit Schülern besetzt. Einige lehnten sich aus den Fenstern und sprachen mit ihren Eltern und Geschwistern, andere stritten sich um Sitzplätze. Auf der Suche nach einem freien Platz schob Harry seinen Gepäckwagen weiter den Bahnsteig hinunter. Er kam an einem Jungen mit rundem Gesicht vorbei und hörte ihn klagen: »Oma, ich hab schon wieder meine Kröte verloren.«
»Ach, Neville «, hörte er die alte Frau seufzen.
Ein kleiner Auflauf hatte sich um einen Jungen mit Rastalocken gebildet.
»Lass uns nur einmal gucken, Lee, komm schon!«
Der Junge hob den Deckel einer Schachtel, die er in den Armen hielt, und die Umstehenden kreischten und schrien auf, als ein langes, haariges Bein zum Vorschein kam.
Harry schob sich weiter durch die Menge, bis er fast am Ende des Zuges ein leeres Abteil fand. Dort stellte er erst einmal Hedwig ab, dann begann er seinen Koffer in Richtung Waggontür zu wuchten. Er versuchte ihn die Stufen hochzuhieven, doch er konnte den Koffer kaum auch nur an einer Seite anheben. Zweimal fiel er ihm auf die Füße und das tat weh.
»Brauchst du Hilfe?« Das war einer der rothaarigen Zwillinge, denen er durch den Fahrkartenschalter gefolgt war.
»Ja, bitte«, keuchte Harry.
»Hallo, Fred! Pack mal mit an!«
Mit Hilfe der Zwillinge verstaute er seinen Koffer schließlich in einer Ecke des Abteils.
»Danke«, sagte Harry und wischte sich die schweißnassen Haare aus der Stirn.
»Was ist denn das?«, rief einer der Zwillinge plötzlich und deutete auf Harrys Blitznarbe.
»Mensch!«, sagte der andere Zwilling. »Bist du –?«
»Er ist es«, sagte der erste Zwilling. »Oder etwa nicht?«, fügte er an Harry gewandt hinzu.
»Wer?«, sagte Harry.
»Harry Potter« , riefen die Zwillinge im Chor.
»Oh, der«, sagte Harry. »Ja, allerdings, der bin ich.«
Die beiden Jungen starrten ihn mit offenen Mündern an, und Harry spürte, wie er rot wurde. Dann kam, zu seiner Erleichterung, eine Stimme durch die offene Waggontür hereingeschwebt.
»Fred? George? Seid ihr da drin?«
»Wir kommen, Mum.«
Mit einem letzten Blick auf Harry sprangen die Zwillinge aus dem Zug.
Harry setzte sich ans Fenster, wo er, halb verdeckt, die rothaarige Familie auf dem Bahnsteig beobachten und ihrem Gespräch lauschen konnte. Die Mutter hatte soeben ein Taschentuch hervorgezogen.
»Ron, du hast was an der Nase.«
Der Jüngste versuchte sich loszureißen, doch sie packte ihn und fing an seine Nase zu putzen.
» Mum – hör auf.« Er wand
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