Harry Potter und die Kammer des Schreckens
von dem Flohpulver.
»Aber Liebling, wenn er verloren geht, wie würden wir das je seiner Tante und seinem Onkel erklären können?«
»Denen wäre das schnurz«, versicherte ihr Harry, »Dudley würde es für einen irren Witz halten, wenn ich irgendwo in einem Kamin verloren ginge, machen Sie sich darüber keine Gedanken –«
»Nun denn … in Ordnung … Du gehst nach Arthur«, sagte Mrs Weasley. »Also, wenn du ins Feuer gehst, sag, wohin du willst –«
»Und zieh die Ellbogen ein«, riet ihm Ron.
»Und halt die Augen geschlossen«, sagte Mrs Weasley, »der Ruß –«
»Zappel nicht rum«, sagte Ron, »sonst fällst du noch aus dem falschen Kamin –«
»Aber gerat nicht in Panik und steig nicht zu früh aus. Wart ab, bis du Fred und George siehst.«
Harry strengte sich an, alles im Kopf zu behalten, und nahm eine Prise Flohpulver aus dem Topf. Dann stellte er sich an den Rand des Feuers. Er holte tief Luft, streute das Pulver ins Feuer und tat einen Schritt hinein; das fühlte sich an wie eine warme Brise; er öffnete den Mund und schluckte sofort einen Haufen Asche.
»W-wink-kel-gasse«, hustete er heraus.
Es war, als ob ein riesiges Abflussrohr ihn einsaugen würde. Offenbar drehte er sich rasend schnell um sich selbst – um ihn her ein ohrenbetäubendes Tosen – er versuchte die Augen offen zu halten, doch im grünen Flammenwirbel wurde ihm schlecht – etwas Hartes schlug gegen seinen Ellbogen, und er drückte ihn fest an die Seite, sich immer noch weiterdrehend – nun schienen kalte Hände gegen sein Gesicht zu klatschen – durch die Brille blinzelnd sah er verschwommen einen Strom von Kaminen und kurz auch die Räume dahinter – in seinem Bauch rumorten die Schinkenbrote – er schloss die Augen und wünschte, es würde endlich aufhören, und dann –
Mit dem Gesicht nach unten fiel er auf kalten Stein. Die Brillengläser zerbrachen.
Schwindlig und zerkratzt, über und über mit Ruß bedeckt, rappelte er sich auf und hielt sich, noch schwankend, die zerbrochene Brille vor die Augen. Er war ganz allein und hatte keine Ahnung, wo er war. Alles, was er erkennen konnte, war, dass er im steinernen Kamin eines großen, schwach beleuchteten Zaubererladens stand – doch nichts hier drin würde je auf einer Liste für Hogwarts stehen.
Eine gläserne Vitrine nicht weit von ihm enthielt eine verwitterte Hand auf einem Kissen, einen blutbespritzten Packen Spielkarten und ein starrendes Glasauge. Böse wirkende Masken glotzten von den Wänden herab, eine Sammlung menschlicher Knochen lag auf dem Ladentisch und rostige, spitze Gerätschaften hingen von der Decke. Zu allem Unglück war die dunkle, enge Straße, die Harry durch das staubige Schaufenster sehen konnte, ganz gewiss nicht die Winkelgasse.
Je schneller er hier rauskam, desto besser. Harrys Nase, mit der er auf dem Boden aufgeschlagen war, tat noch weh, und er huschte leise hinüber zur Tür, doch er hatte den Weg noch nicht halb geschafft, da erschienen zwei Gestalten auf der anderen Seite des Türglases – und eine davon war der Letzte, den Harry treffen wollte, wenn er sich verirrt hatte, mit Ruß bedeckt war und eine zerbrochene Brille trug: Draco Malfoy.
Rasch sah sich Harry um und entdeckte zu seiner Linken einen großen schwarzen Schrank; er schlüpfte hinein und zog die Türen hinter sich zu, bis auf einen kleinen Spalt, durch den er hindurchspähen konnte. Sekunden später klirrte eine Glocke und Malfoy betrat den Laden.
Der Mann, der ihm folgte, konnte nur sein Vater sein. Er hatte das gleiche fahle, spitze Gesicht und die gleichen kalten grauen Augen. Mr Malfoy durchquerte den Laden, ließ den Blick über die ausgestellten Waren gleiten und läutete eine Glocke auf dem Ladentisch, bevor er sich seinem Sohn zuwandte:
»Rühr nichts an, Draco.«
Malfoy, der die Hand nach dem Glasauge ausgestreckt hatte, erwiderte:
»Ich dachte, du wolltest mir was schenken.«
»Ich sagte, ich würde dir einen Rennbesen kaufen«, antwortete der Vater und trommelte ungeduldig mit den Fingern auf den Ladentisch.
»Was nützt das, wenn ich nicht in der Hausmannschaft bin?«, sagte Malfoy schmollend und sichtlich schlecht gelaunt. »Harry Potter hat letztes Jahr einen Nimbus Zweitausend bekommen. Sondergenehmigung von Dumbledore, damit er für Gryffindor spielen kann. So gut ist er ja gar nicht, es ist nur, weil er berühmt ist … berühmt wegen der blöden Narbe auf seiner Stirn …«
Malfoy kniete sich nieder, um ein Regal voller Totenköpfe
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