Harter Schnitt
Autos hupten. Fäuste wurden geschwenkt. Sara kam sich vor wie mitten in einem Actionfilm.
» Können Sie…«, setzte Will an, aber Sara nahm ihm Betty und die Pizzaschachtel bereits ab. Aus einer Socke zog er seinen Hausschlüssel. » Man muss sie im Gästezimmer einsperren, damit sie nicht…«
» Will!« Amandas Ton ließ keinen Zweifel offen.
Sara nahm den Schlüssel. Das Metall war noch warm von seinem Körper. » Gehen Sie.«
Das musste man Will nicht zweimal sagen. Er sprang ins Auto, und sein Fuß schleifte noch über den Asphalt, als Amanda schon wieder losfuhr. Wieder wurde gehupt. Eine viertürige Limousine brach bei der Vollbremsung mit dem Heck aus. Sara erkannte auf dem Rücksitz einen Teenager. Das Mädchen presste die Hände ans Fenster. Der Mund stand vor Schreck offen. Von hinten kam mit hohem Tempo ein weiteres Auto, konnte aber im letzten Augenblick noch ausweichen. Sara schaute dem jungen Mädchen direkt in die Augen, doch dann richtete die Limousine sich wieder aus und fuhr davon.
Betty zitterte, und Sara ging es nicht viel besser. Sie versuchte, den Hund zu beruhigen, während sie zu Wills Straße lief. Sie drückte ihn fest an sich und presste die Lippen auf seinen Kopf. Sara wusste nicht so recht, was es noch schlimmer machte– daran zu denken, was zwischen Will und ihr hätte passieren können, oder die Tatsache, dass Amanda Wagner beinahe einen schlimmen Unfall verursacht hatte.
Sie würde die Nachrichten einschalten müssen, um herauszufinden, was passiert war. Denn wohin Will auch fuhr, die Übertragungswägen würden ebenfalls dort sein. Amanda war Deputy Director des GBI . Sie fuhr nicht nur aus einer Laune heraus herum und suchte nach ihren Agenten. Sara stellte sich vor, dass Faith, Wills Partnerin, in diesem Augenblick ebenfalls wie eine Verrückte zu einem Tatort raste.
Sie hatte vergessen, Will nach seiner Hausnummer zu fragen, aber zum Glück standen alle Angaben auf Bettys Anhänger. Doch das wäre gar nicht nötig gewesen, denn Wills schwarzer Porsche, der in einer Einfahrt fast am Ende der Straße stand, war unübersehbar. Das Auto war ein älteres Modell, das komplett restauriert worden war. Anscheinend hatte Will es heute gewaschen. Die Reifen glänzten, und im Lack der langen Schnauze konnte sie ihr Spiegelbild sehen, als sie daran vorbeiging.
Will wohnte in einem Bungalow aus rotem Backstein. Die Haustür war schwarz lackiert. Die Holzverzierungen waren buttergelb. Der Rasen war gut gepflegt, die Kanten waren sauber abgestochen, Sträucher und Hecken penibel gestutzt. Ein farbenfrohes Blumenbeet fasste den Mimosenbaum im vorderen Garten ein. Sara fragte sich, ob Angie Trent einen grünen Daumen hatte. Stiefmütterchen waren widerstandsfähige Pflanzen, aber sie mussten regelmäßig gegossen werden. So, wie es klang, war Mrs. Trent nicht der Typ, sich mit so etwas lange aufzuhalten. Sara wusste nicht recht, was sie davon halten sollte oder ob sie es überhaupt verstand. Dennoch hörte sie die Stimme ihrer Mutter in ihrem Hinterkopf nörgeln: Auch eine abwesende Ehefrau ist immer noch eine Ehefrau.
Betty fing an, sich zu winden, als Sara den Gartenpfad hochging. Sie fasste das Hündchen fester. Genau das brauchte sie jetzt, um ihren Tag noch schlimmer zu machen– den Hund zu verlieren, der der Frau des Mannes gehörte, den sie eben noch auf der Straße hatte küssen wollen.
Mit einem Kopfschütteln stieg Sara die Stufen zur Veranda hinauf. Sie hatte kein Recht, so über Will zu denken. Sie sollte froh sein, dass Amanda Wagner sie unterbrochen hatte. Am Anfang ihrer Ehe hatte Jeffrey Sara betrogen. Es hätte sie beinahe auseinandergerissen, und sie hatten jahrelang hart arbeiten müssen, um ihre Beziehung wieder zu kitten. Will hatte seine Entscheidung getroffen, zum Guten oder zum Schlechten. Und es war auch nicht nur eine vorübergehende Romanze. Er war mit Angie aufgewachsen. Sie hatten sich im Kinderheim kennengelernt, als sie beide noch sehr jung waren, und hatten eine fast fünfundzwanzigjährige gemeinsame Geschichte. Sara gehörte nicht zwischen die beiden. Sie wollte nicht einer anderen Frau denselben Schmerz zufügen, den sie gespürt hatte, gleichgültig, wie trostlos ihre sonstigen Möglichkeiten waren.
Der Schlüssel glitt problemlos ins Schloss. Eine kühle Brise empfing sie, als sie durch die Tür trat. Sie setzte Betty auf den Boden und nahm ihr die Leine ab. Kaum war der Hund frei, lief er schnurstracks in den hinteren Teil des Hauses.
Sara
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