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Harter Schnitt

Harter Schnitt

Titel: Harter Schnitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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konnte ihre Neugier nicht zügeln, als sie sich die vorderen Zimmer des Hauses anschaute. Wills Geschmack hatte eindeutig etwas Maskulines. Falls seine Frau zur Einrichtung beigetragen hatte, sah man das nicht. Ein Flipperautomat stand an beherrschender Stelle mitten im Esszimmer, direkt unter einem Kristalllüster. Offensichtlich arbeitete Will an dem Gerät– die elektronischen Eingeweide lagen ausgebreitet neben einem offenen Werkzeugkasten auf dem Boden. Der Geruch von Maschinenöl hing in der Luft.
    Die Couch im Wohnzimmer hatte einen Bezug aus dunkelbraunem Velours, ein dazu passender Polsterhocker stand daneben. Die Wände waren von einem gedämpften Beige. Ein schicker, schwarzer Ruhesessel war auf einen Fünfzig-Zoll-Plasmafernseher ausgerichtet, unter dem sich diverse elektronische Geräte stapelten. Alles schien an seinem Platz zu sein. Es gab keinen Staub und kein Durcheinander, keine Wäsche, die sich auf der Couch zu einem Mount Everest türmte. Offensichtlich war Will ordnungsliebender als Sara. Aber das waren die meisten Menschen.
    Sein Schreibtisch stand in einer Ecke des Wohnzimmers, an der Wand zum Gang. Chrom und Metall. Sie strich mit dem Finger am Bügel seiner Lesebrille entlang. Um einen Laptop mit Drucker lagen Papiere in ordentlichen Stapeln. Eine Packung Magic Markers krönte einen Stapel verschiedenfarbiger Ordner. In kleinen Metallkästchen lagen Gummibänder und Büroklammern nach Größe und Farbe sortiert.
    Sara hatte diese Anordnung schon einmal gesehen. Will konnte lesen, aber nicht mühelos und mit Sicherheit nicht schnell. Er benutzte farbige Marker und Büroklammern als Eselsbrücken, um zu finden, wonach er suchte, ohne tatsächlich durchsehen zu müssen, was in einem Ordner war oder auf einer Seite stand. Das war ein schlauer Trick, den er sich wahrscheinlich schon sehr früh angeeignet hatte. Sara hatte keinen Zweifel, dass er einer dieser Jungs gewesen war, die im Klassenzimmer ganz hinten saßen und sich alles merkten, was der Lehrer sagte, dann aber bei einem Test nicht in der Lage– oder nicht willens– waren, irgendetwas davon niederzuschreiben.
    Sie brachte die Pizzaschachtel in die Küche, die in denselben satten Brauntönen wie das restliche Haus gehalten war. Im Gegensatz zu Saras Küche waren die Granit-Arbeitsflächen hier sauber und ordentlich, eine Kaffeemaschine und ein Fernseher waren die einzigen Gegenstände, die herumstanden. Entsprechend war auch der Kühlschrank leer bis auf einen Karton Milch und eine Packung Pudding. Sara schob die Pizza auf die oberste Ablage und ging in den hinteren Teil des Hauses, um nach Betty zu sehen. Als Erstes entdeckte sie das Gästezimmer. Die Deckenbeleuchtung war ausgeschaltet, aber Will hatte eine Stehlampe hinter einem weiteren Lehnsessel angelassen. Neben dem Sessel stand ein Hundekorb in der Form einer Chaiselongue. In der Ecke standen eine Schüssel mit Wasser und eine mit Trockenfutter. An der Wand hing ein zweiter Fernseher, ein zusammengeklapptes Laufband stand davor.
    Das Zimmer war dunkel, die Wände in einem kräftigen Braun gehalten, das den Farbton der Wohnzimmereinrichtung weiterführte. Sie schaltete das Deckenlicht an. Es überraschte sie, an den Wänden Bücherregale zu sehen. Sara strich mit den Fingern über die Titel und erkannte Klassiker neben einer Handvoll feministischer Texte, wie sie ernsthafte junge Frauen in ihrem ersten Collegejahr lesen. Alle Buchrücken waren rissig, die Bücher machten einen häufig benutzten Eindruck. Sara wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass Will in seinem Haus eine Bibliothek haben könnte. Bei seiner Legasthenie wäre die Lektüre eines dicken Romans eine Sisyphusarbeit. Die Audiobücher schienen da einleuchtender. Sara kniete sich hin und betrachtete die CD -Hüllen, die sich neben einem teuer aussehenden Bose-Player stapelten. Wills Geschmack war deutlich intellektueller als der ihre– viele Sachbücher und historische Arbeiten, die Sara normalerweise chronisch Schlaflosen vorschlagen würde. Sie drückte einen sich ablösenden Aufkleber fest und las » Eigentum der Bibliothek des Fulton County«.
    Das Klicken von Krallen im Gang kündigte Betty an. Sara errötete, fühlte sich ertappt. Sie stand auf, um den Hund zu holen, doch Betty rannte erstaunlich schnell davon. Sara folgte ihr am Bad vorbei in das zweite Zimmer. Wills Schlafzimmer.
    Das Bett war gemacht. Eine dunkelblaue Decke lag über dem dazu passenden Laken. Ein einzelnes Kissen lehnte an der Wand, wo

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