Harter Schnitt
wollte schon zur Vordertür hinausgehen, doch dann fiel ihr ein, dass sie Wills Autoschlüssel brauchte. Sie musste sich anstrengen, damit ihre Stimme nicht zitterte. » Er sagte mir, ich soll sein Auto mitbringen.«
Angie verschränkte die Arme. Ihr Ringfinger war nackt, doch um den Daumen trug sie ein silbernes Band. » Natürlich hat er das gesagt.«
Sara ging noch einmal in die Küche. Ihr Gesicht war gerötet, sie schwitzte. Neben dem Tisch stand eine Reisetasche, die zuvor noch nicht dagewesen war. Wills Autoschlüssel hingen an einem Haken neben der Hintertür, wie er gesagt hatte. Sie nahm sie, und während sie zurück ins Arbeitszimmer ging, spürte sie, dass Angie im Gang stand und jede ihrer Bewegungen beobachtete. So schnell sie konnte, ging Sara zur Haustür, das Herz schlug ihr bis zum Hals– und Angie Trent hatte nicht vor, ihr die Sache einfach zu machen.
» Wie lange fickst du ihn schon?«
Sara schüttelte den Kopf. Das konnte doch alles gar nicht wahr sein.
» Ich habe gefragt, wie lange du meinen Mann schon fickst?«
Sara starrte die Tür an, sie schämte sich zu sehr, um Sara anzuschauen. » Das ist ein Missverständnis. Ich verspreche es Ihnen.«
» Ich habe dich in meinem Haus in meinem Schlafzimmer gefunden, das ich mit meinem Mann teile. Was für eine Erklärung hast du dafür? Ich brenne darauf, sie zu hören.«
» Ich habe Ihnen doch gesagt…«
» Stehst du auf Bullen? Ist es das?«
Sara spürte, wie ihr Herz einen Schlag aussetzte.
» Dein toter Mann war doch auch Bulle, oder? Gibt dir das einen Kick?« Angie lachte verächtlich auf. » Er wird mich nie verlassen, Süße. Such dir besser einen anderen Schwanz, mit dem du spielen kannst.«
Sara konnte nicht antworten. Die Situation war entsetzlich. Mit zitternder Hand griff sie nach dem Türknauf.
» Er hat sich für mich geschnitten. Hat er dir das gesagt?«
Sara musste sich zwingen, die Hand ruhig zu halten, damit sie die Tür öffnen konnte. » Ich muss jetzt los. Tut mir leid.«
» Ich habe zugesehen, wie er sich mit einer Rasierklinge den Arm aufschnitt.«
Saras Hand bewegte sich nicht. Ihr Gehirn versuchte vergeblich zu verarbeiten, was sie da hörte.
» In meinem ganzen Leben habe ich noch nicht so viel Blut gesehen.« Angie machte eine Pause. » Du könntest mich wenigstens anschauen, wenn ich mit dir rede.«
Sara wollte es zwar nicht, zwang sich aber dazu, sich umzudrehen.
Angies Ton war passiv, doch der Hass in ihren Augen machte es schwer, sie anzusehen. » Ich habe ihn die ganze Zeit gehalten. Hat er dir davon erzählt? Hat er dir erzählt, wie ich ihn gehalten habe?«
Noch immer fand Sara ihre Stimme nicht.
Angie hob den linken Arm und zeigte das nackte Fleisch. Mit quälender Langsamkeit zog sie den Nagel ihres rechten Zeigefingers vom Handgelenk bis zum Ellbogen. » Es hieß, die Rasierklinge sei so tief eingedrungen, dass sie über den Knochen schabte.« Sie lächelte, als wäre das eine glückliche Erinnerung. » Das hat er für mich getan, du Schlampe. Glaubst du, das würde er auch für dich tun?«
Jetzt, da Sara sie anschaute, konnte sie nicht mehr aufhören. Sekunden verstrichen. Sie dachte an die Uhr in dieser Pizzeria, wie sie die Sekunden vertickte. Schließlich räusperte sie sich, weil sie nicht sicher war, ob sie sprechen konnte. » Es ist der andere Arm.«
» Was?«
» Die Narbe«, erwiderte sie und genoss den überraschten Ausdruck in Angies Trents Gesicht. » Die Narbe ist auf dem anderen Arm.«
Saras Hände schwitzten so stark, dass sie den Türknauf kaum drehen konnte. Sie duckte sich, als sie nach draußen stürzte, weil sie Angst hatte, dass Angie ihr nachrennen oder, noch schlimmer, sie der Lüge bezichtigen würde.
In Wahrheit hatte Sara noch nie eine Narbe auf Wills Arm gesehen, weil sie seinen nackten Arm noch nie gesehen hatte. Er trug immer langärmelige Hemden und T-Shirts. Er hatte noch nie die Manschetten aufgeknöpft oder die Ärmel hochgekrempelt. Sie hatte nur eine wohl begründete Vermutung geäußert. Will war Linkshänder. Wenn er sich hätte umbringen wollen, weil seine abscheuliche Frau ihn betrog, hätte er sich den rechten Arm aufgeschlitzt, nicht den linken.
3 . Kapitel
W ill zupfte am Halsausschnitt seines T-Shirts. Es war kochend heiß im Mobilen Kommandofahrzeug und voller Uniformierter und Zivilbeamter, sodass man kaum atmen konnte. Der Lärm war ähnlich unerträglich. Handys bimmelten. BlackBerrys trällerten. Auf Computermonitoren lief die
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