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Hartland

Hartland

Titel: Hartland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Buescher
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Tiere zogen durchs Grasland, sogar am waldigen Westufer des Missouri traf man sie an. Unweit der Stelle, an der ich stand, beobachtete Wied einen «überaus stolzen Bison» auf der Uferweide, «nach welchem man vom Schiff aus vergebens schoß, und bald sahen wir in der Prärie ein paar andere sehr große Tiere dieser Art, deren langer Bart weit herabhing, während der Wind das lange Stirnhaar bewegte».
    Nicht mehr lange, und der Bison würde von der Erde getilgt sein. Die große Bisonherde der nördlichen Plains, zur Zeit von Wieds Reise 1833 und danach auf vier Millionen Tiere geschätzt, verschwand binnen weniger Jahre. Ihre letzten Reste wurden 1883 erlegt. Nicht länger gejagt wurde der Bison, sondern abgeknallt zum Spaß und Ruhm von Bisontötern und Sonntagsschützen aus den Städten des Ostens – nicht etwa, um den Bedarf an Fleisch, Haut und Knochen zu decken. Dennnicht nur sein Fleisch hatte die Indianer erhalten, sie lebten vom Bison in fast allen Dingen. Sie kleideten sich in seine Haut, schnitten Werkzeuge aus seinen Knochen und nutzten seine Sehnen als Seile, der Bison war ihre Lebensgrundlage seit den dunklen Jahrtausenden, aus denen sie kamen. Schiere Lust am Töten löschte den Bison aus, sein Fleisch ließ man in der Prärie verrotten. Das mitanzusehen, mußte den Indianern als Apokalypse erscheinen, und das war es auch: der Untergang ihrer Welt und schließlich ihrer selbst. Aus stolzen Jägern wurden Hungerleider, die bei den Indianeragenten des weißen Mannes um Fleisch bettelten.
    Das alles war undenkbar, als Wied hier reiste. Er sah das Land in einer kaum berührten Schönheit und Härte. Und ich? Ich sah eine Kolonie blecherner Sommerhäuschen am Heart River, Spuren von Hunden, vielleicht auch Kojoten, im Uferschnee und hörte den Schrei der Wildgänse vom Missouri her und ein erregtes Kläffen, ganz nahe. Drei kleine weiße Hunde hatten mich entdeckt, sie sahen denen in Öl im Vorzimmer des Gouverneurs ähnlich, gehörten aber einem Paar, das eben aus seinem Sommerhaus in den Wintertag trat. Man warf mir mißtrauische Blicke zu, und nun fiel mir das Warnschild auf: «We immediately report all suspicious people or activities to the police department.» Wir melden jede verdächtige Person oder Aktivität sofort der Polizei. Dies war der Ort, an dem, ging es nach den Indianern, Gott den Menschen erschaffen hatte. Der Heart River hatte seinen Namen daher.
    Als Wied flußaufwärts zog, begann hier das Land der Mandan, ein bedeutender Stamm damals, längst vergessenwie andere Stämme. Nátka hieß Herz in der Sprache der Mandan, den Herzfluß nannten sie Nátka-pássahä, so notierte es Wied. Ihn interessierte die geistige Welt der Indianer, er lernte ihre Sprachen, fertigte Wörterbücher und Grammatiken an und ließ sich an langen Winterabenden ihre rituellen Feste erklären und ihre Religion. Die Schöpfungsgeschichte der Mandan steckte voller überraschender, seltsamer, mitunter auch komischer Wendungen, sie war nicht logisch wie unsere Genesis – oder nur im räumlichen Sinn. Ihre Schöpfung spielte in ihrem Lebensraum, an vertrauten Orten wie dem Herzfluß, die jedes Kind des Stammes kannte.
    Nachdem ein Streit zwischen dem Schöpfergott – dem «Herrn des Lebens», wie die Indianer ihn nannten – und dem ersten Menschen über die Frage, wer von ihnen der Vater sei und wer der Sohn, zugunsten des Herrn entschieden ist, beginnt Gott einen neuen Wettstreit mit seinem Geschöpf: Er will die geschaffene, aber noch öde Erde fruchtbar machen. Er heißt den Nerz ins Wasser zu tauchen und Holz und Gras heraufzubringen, die Hälfte gibt er dem ersten Menschen. «Dies geschah an der Mündung des Heart River. Der Herr des Lebens trug hierauf dem ersten Menschen auf, das nördliche Missouri-Ufer zu machen; er selbst bildete das schön mit Hügeln, kleinen Tälern, Holz und Gebüschen abwechselnde südwestliche Ufer.»
    Über das Schöpfertalent des Menschen kann der Herr nur den Kopf schütteln – die flache, baumlose Prärie hat er gemacht. Dort könnten künftige Menschen weder Tiere jagen noch überhaupt vernünftig leben, hält er ihm vor und lädt die Menschen an sein wirtlichesWestufer ein. Nachdem er auch diesen Schöpfungswettkampf gewonnen hat, setzen sich Gott und der erste Mensch nieder, um Medizinpfeifen anzufertigen und einen Bund zu schließen, auf indianische Art. Sein Zeichen ist nicht der Regenbogen, sondern die Medizinpfeife. «Sie setzten die Pfeifen ineinander, und der Herr

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