Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie
erhalten haben, sind uns in der Hinsicht weit voraus. Hierzulande sind Eltern gehalten, selbst einen Weg zu finden, um ihren Kindern symbolisch den Segen zu erteilen. Bleibt die elterliche Bestätigung aus Unachtsamkeit aus oder wird sie gar verweigert, bringt das nachteilige Folgen für die Heranwachsenden mit sich.
Ein Vater bat mich um einen Gesprächstermin für seine Familie, da sein ältester, 16-jähriger Sohn seit Längerem Haschisch konsumiere. Das Wort »bitten« trifft allerdings nicht das Auftreten des Vaters. Er forderte sich den Termin vielmehr herrisch ein. Als die Familie – Vater, Mutter, zwei Söhne, eine Tochter – zum Gespräch erschien, riss das Familienoberhaupt sogleich das Wort an sich, um von sich selbst wie von seiner Frau das mildtätigste Bild zu zeichnen. Sie seien beide berufstätig und gänzlich uneigennützig christlich-sozial engagiert. Beide spendeten jährlich einen beachtlichen Teil ihres Einkommens für mildtätige Zwecke. Über die Verwendung ihrer Gelder bei ausgesuchten Projekten erhielten sie jeweils Rechenschaft. Zu Hause lebten sie bescheiden und anspruchslos.
Bis zu dem Punkt der familiären Selbstdarstellung redete der Vater zwar betont gemessen, wie ein besänftigender Prediger, ließ aber kein weiteres Familienmitglied zu Wort kommen. Er wechselte den Tonfall, während er berichtete, es gäbe in seiner Familie eigentlich keinerlei Probleme, wäre da nicht sein ältester Sohn, der seit zwei Jahren aus ihm völlig unerklärlichen Gründen Haschisch rauche. Der Vater begann, seinen Sohn mit vernichtenden Anklagen zu belegen, die jegliches Feingefühl vermissen ließen. Als ich ihn schließlich stoppte und die anderen Familienmitglieder um ihre Einschätzung der Situation bat, bestätigte als Erste die Mutter ihre Sorgen um den Haschischgebrauch ihres Ältesten. Letzterer geriet immer stärker in eine Rechtfertigungs- und Verteidigungshaltung. Er startete relativ furchtlos einen Gegenangriff auf den Vater, in dem sich lange angestaute Verachtung entlud:
»Du mit deinem blöden sozialen Fimmel. Dein ganzes Geld gibst du für deine soziale Heuchelei aus. Nach außen spielst du den religiösen Spender, nach innen führst du dich auf wie ein Diktator. Keinem von uns Kindern gönnst du was. Du guckst uns noch die Butter vom Brot. Und nicht mal in Urlaub fahren wir wie alle anderen, weil du immer meinst, du brauchst das nicht. Was wir wollen, nimmst du überhaupt nicht zur Kenntnis. Du gönnst dir nicht mal selber was. Du bist so kleinlich in allem. Ich glaube, ich hab von dir noch nie mal eine Anerkennung oder ein Lob gehört. Du kannst immer nur alles kleinmachen. Du regst dich fürchterlich auf, weil ich kiffe, und fragst dich nicht einmal wirklich, warum ich das mache. Ohne würde ich es in eurer Familiengruft gar nicht mehr aushalten. Zu Hause ist alles wie tot. Du hast ja keine Ahnung, wie wir uns fühlen. Ständig deine ollen Sprüche: ›Ihr müsst im Leben erstmal beweisen, dass ihr was leisten könnt.‹ Ich kann’s nicht mehr hören. Bei dir muss man sich erst alles verdienen.«
Vater und Sohn gerieten heftig aneinander. Es war ersichtlich, dass der Älteste für seine beiden jüngeren Geschwister mit sprach. Sie bestätigten nickend, was ihr größerer Bruder seinem Vater an den Kopf warf. Doch der Vater wollte es weder hören noch etwas davon gelten lassen. Seine edlen sozialen Motive passten so gar nicht zu seinen kleingeistigen Anstrengungen, seinem Sohn jegliche Anerkennung zu versagen. Letzterer hatte es ungemein schwer, schien sich allerdings nicht unterkriegen lassen zu wollen. Mit einem unbändigen Willen widersetzte er sich seinem Vater in einer Art Vorreiterrolle für seinen jüngeren Bruder und die Schwester. Innerlich ergriff ich Partei für die Kinder. Dem Vater spiegelte ich meinen Eindruck, dass er mit seinem Sohn hart ins Gericht gehe und dass jener es umgekehrt sicherlich gut meine, wenn er darauf aufmerksam mache, wie wenig sich der Vater selbst gönne. Er könne doch weiterhin Gutes bewirken, indem er einerseits großzügig und uneigennützig spende, darüber aber nicht vernachlässige, sich und seiner Familie mehr Leichtigkeit zu gönnen. Der Vater wirkte auf mich wie ein echter »Scheinheiliger«. Er beharrte auf seiner Position. Nicht er sei es, der über Veränderungen nachzudenken habe, sondern sein Sohn, der schließlich noch über keinerlei Lebenserfahrung verfüge. Als ich dem Vater gegen Ende des ersten Termins weitere
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