Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie
ohne ihn mit Schuldgefühlen zu beladen. Es ist mir bewusst, dass ich sein Problem nicht lösen kann, sondern dass er den Mut aufbringen muss, wieder verantwortlich für sich zu agieren und sich Hilfe zu suchen. Ich versuche für meinen Teil, mehr auf meine Wünsche einzugehen, nicht zwischen Hoffnung und Verzweiflung krank zu werden. Dies ist jedoch ein schwieriges Unternehmen, da man unerhört konsequent reagieren muss. Es erfordert viel Ausdauer und Geduld. Die Gefahr ist, dass man sich schnell wieder in den alten Verhaltensmustern wiederfindet. Drückt der Partner eine bestimmte Taste, dann läuft ein bestimmtes Programm. Immer wieder das alte Programm löschen und sich das Neue bei sich vor Augen halten.
Eigentlich müsste ich diese neue Krise als Chance betrachten, die mir und meinem Mann den Weg in die Erwachsenenwelt zeigt, wo wir beide in Würde unser Gesicht tragen können und unabhängig, eigenständig, ein jeder für sich und trotzdem zusammen leben können.«
Als unmittelbar sichtbare Konsequenz für sich selbst sowie als kleines Signal an ihren Mann hat seine Frau eine ihrer eigenen selbstschädigenden Verhaltensweisen aufgegeben: Sie ist entschlossen, ihre Abhängigkeit von Nikotin zu besiegen. Das Paar hat eine realistische Chance. Zum einen haben sie zusammen schon manche Krise gemeinsam durchgestanden, zum anderen ist dem Mann seine Gefährdung mehr als bewusst und er sucht nach Auswegen aus dem drohenden Absturz. Beide wissen, dass sie jederzeit auf ein Hilfsangebot zurückgreifen können, falls sie es allein nicht schaffen.
Fast an der Tagesordnung in unserer Gesellschaft, in der viele Menschen einem Klischee von Männlichkeit oder Weiblichkeit aufsitzen, ohne sich mit gefestigter Geschlechtsidentität wohlzufühlen in ihrer Haut, ist die Tatsache, dass vorwiegend junge Frauen ein Selbstempfinden äußern, das erschrecken mag: »Ich bin total hässlich. Ich bin scheiße, mein Gesicht ist total scheiße.« Erst jüngst hörte ich genau diese Worte aus dem Mund einer 15-jährigen Schülerin, die mit ihrer besten Freundin zu mir in die offene Sprechstunde kam. Die Freundin ist ernsthaft besorgt, dass sich die 15-Jährige etwas antut, weil sie sich selbst so überhaupt nicht leiden mag. Diese schildert eine noch diffuse Erinnerung an ein traumatisierendes Erlebnis im Alter von 8 Jahren, mit dem sie völlig allein blieb. Ihr gesamtes Körperempfinden ist verändert. Sie empfindet sich als fett und abstoßend. In der Realität ist sie allerdings eine junge Frau mit völlig normaler Figur und einem ausgesprochen schönen Gesicht. Ihre Selbstwahrnehmung »Mein Gesicht ist scheiße« ist ihr aber nicht einfach auszureden. In ihrem Inneren sieht es düster aus. Sie fühlt sich in keiner Weise liebenswert. Um ihre Nöte besser zu ertragen, raucht sie Haschisch und Gras. Mit der Brechung ihres jahrelangen Schweigens hat sie den ersten Schritt zu einer persönlichen Veränderung eingeleitet.
Die junge Frau ist mit ihrem negativen Selbstempfinden und dem sekundären Cannabisgebrauch beileibe kein Einzelfall. Die Anzahl der jungen Mädchen und Frauen, die sich selbst runtermachen: »Ich bin voll hässlich«, »Meine Oberschenkel sind viel zu fett«, »Ich sehe zum Kotzen aus«, oder: »Mein Gesicht ist scheiße«, gehen in die Legionen. Alle, welche mit solchen Symptomen eines verschobenen, aus den Fugen geratenen Selbstempfindens vertraut sind, wissen, wie hartnäckig es sich lange Zeit einer Veränderung zum Positiven widersetzen mag. Da braucht es Einfühlungsvermögen, Wertschätzung, Bestätigung, Wohlwollen, Geduld und Beharrlichkeit.
Ich darf nicht lebendig sein …
Viel zu viele Menschen zahlen mit ihrer eingeschränkten Lebendigkeit einen hohen inneren Preis für Beziehungserfahrungen, die sie zu übergroßen Anpassungsleistungen veranlasst haben:
Eine 34 Jahre alte Frau wandte sich wegen eines Therapieplatzes an mich. Es handelte sich um eine jener selteneren Klientinnen, die sowohl nach objektiver wie subjektiver Einschätzung von Cannabis abhängig sind. Die Klientin hatte in der Vergangenheit bereits mehrere Therapien absolviert, kam aber trotz Fortschritten nicht über den entscheidenden Berg. Sie fraß regelrecht Bücher über Drogen, Sucht und Therapiemöglichkeiten in sich hinein. Nach der Lektüre meines Buches »Der rote Faden in der Sucht«, das ihr »vernünftig und klug« erschien, entschloss sie sich mit erheblichem innerem Aufruhr zu einem weiteren Therapieversuch. Ihre Geschichte
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