Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie
mehr Anerkennung vom Vater. Als es 13 Jahre alt ist, trinkt es zum ersten Mal Alkohol, um mit »den Großen« und der 5 Jahre älteren Schwester mithalten zu können. Als 14-Jährige raucht sie Zigaretten, mit 15 Jahren kifft sie. In der zehnten Klasse sitzt sie völlig bekifft im Unterricht, und in der Elften erzählt sie von sich aus ihren Eltern, dass sie Marihuana raucht. Mutter und Vater sprechen daraufhin sogar mit dem Drogenberatungslehrer der Schule, doch es erfolgt keine einschneidende Intervention. Das Mädchen kapselt sich in der Familie völlig ab. Im Therapiebuch fördert die Klientin ihre Erinnerungen zutage:
»Ich erlebe extreme Selbstisolation, Selbstverstümmelung, Autoaggression, Selbstmordgedanken, Einsamkeitsgefühle, Drogenkonsum, Depressionen. Manchmal rede ich tagelang nicht, weder zu Hause noch in der Schule. Es scheint keinem aufzufallen. Ich bin sehr unsicher und finde mich selbst völlig unerträglich und abgrundtief hässlich. Das Einzige, was mir an mir selbst gefällt, sind meine Augen.«
Die Augen der Klientin sind in der Tat ein für die Verständigung mit ihr bedeutsamer Kanal. Sie funktionieren wegweisend als Spiegel ihrer Seele. In unserer gemeinsamen Arbeit lasse ich mich im Zweifelsfall mehr davon leiten, was die Augen der Klientin ausdrücken, als von ihren sprachlichen Äußerungen. Die Augen der Klientin sind lebendig. In ihnen wird sichtbar, dass an gut behüteten Orten viel Eigenleben in der Klientin unzerstört überlebt hat. Dieses gilt es zu bestärken, um damit das tragende innere Gerüst zu errichten, an dem es ihr im Gegensatz zu ihrer betont aufrechten äußeren Haltung innerlich mangelt.
Als Mädchen wie junge Frau gerät die Klientin wiederholt in bedrohliche Situationen, darunter Missbrauch und versuchte Vergewaltigung. In der Folge wird sie von lang anhaltenden Angstzuständen heimgesucht. Zeitweilig reagiert sie mit Depersonalisationserscheinungen: »Bis 23 Jahre fühle ich mich oft unsichtbar.«
Bei ersten Kontakten zum anderen Geschlecht verliebt sie sich in »Jungs, die ganz sicher unerreichbar sind«, so unerreichbar wie ihr Vater. Spätere längere Beziehungen zu Partnern verlaufen alle nach dem gleichen Muster:
»Nach etwa 6 Monaten gebe ich die Verantwortung für mich selbst ab und übertrage sie dem anderen. Ich passe mich völlig an und bin nicht fähig, mich abzugrenzen und meine eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen. Drogen spielen immer eine Rolle. Ich bin immer diejenige, die sich trennt.«
Eine Woche vor Abschluss ihres ungeliebten Studiums, das sie gleichfalls in Anpassung an Dritte aufnahm, die glaubten, zu wissen, was gut für sie wäre, unternimmt die Klientin einen Selbstmordversuch. Ein Jahr später beginnt sie eine Ausbildung in einem Beruf, den sie sich selbst aussucht. Aktuell arbeitet sie in einer gesicherten Position einer besonderen Sparte des öffentlichen Dienstes, die einerseits Raum für Kreativität und Eigeninitiative lässt, andererseits große Zuverlässigkeit erfordert.
Seit 20 Jahren spielen Alkohol und vor allem Marihuana im Leben der Klientin eine übergeordnete Rolle. In wechselnden Abständen zwar, aber mit aufrüttelnder und ungebrochener Beharrlichkeit, fordern die noch aktiven Selbstheilungskräfte der Frau sie immer wieder auf, ihr Leben neu auszurichten. So geschehen auch, bevor sie den Weg zu mir in die Therapie fand.
Beim ersten Termin saß eine nahezu unbewegliche, einsame und passive Frau vor mir, die sich vom Leben bedroht fühlte. Über zwei Jahrzehnte hinweg benutzte sie Marihuana, um durch ihr Leben zu finden. Die Droge war der Puffer zwischen sich selbst und allem »Äußeren, das ich als bedrohlich empfand«. Außerdem legten sich die Wirkungen des Mittels ihrer Wahl wie ein besänftigender Film über gewaltige in ihr brodelnde Aggressionen. Bereits beim zweiten Gespräch forderte ich die Klientin auf, sich ein Datum zu setzen, an dem sie mit dem Kiffen aufhören wollte, weil abzusehen war, dass die Arbeit sonst wenig Sinn machen würde. Der Marihuanaschleier über ihrem Leben musste gelüftet werden. Ich griff zu einer mehr oder weniger »paradoxen Intervention«. Da ich wusste, wie sehr sie sich in allen wichtigen Beziehungen an ihre Partner angepasst hatte, erklärte ich ihr: »Sie haben sich bisher nach Ihren Partnern gerichtet. Haben die getrunken, haben Sie mitgetrunken. Haben die Marihuana geraucht, rauchten Sie ebenfalls Marihuana. Wenn das so gut funktioniert, dann können Sie das jetzt nutzen und
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