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Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie

Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie

Titel: Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: beltz Verlag
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Selbstwertgefühls beizutragen vermag, ist indes verschieden von dem Gefühl, welches Menschen verspüren, die sich »so ganz anders« inmitten ihrer Mitmenschen erleben. Wer allerdings unter allen Umständen etwas »Besonderes« sein möchte, hat daran eine schwere Bürde zu tragen. »Grandios« sein zu wollen oder gar sein zu müssen ist darüber hinaus ein besonders hohes Risiko für Suchtmittelgebrauch.
    Zufrieden lebt in aller Regel, wer die angenehmen Seiten des »Normalseins« schätzen gelernt hat. »Normal« zu sein bedeutet nicht, »langweilig« zu sein oder über keine besonderen Fähigkeiten und Stärken zu verfügen. Was für ihn »Normalsein« im positiv verstandenen Sinne heißt, schilderte mir ein therapieerfahrener Kollege und Freund, der in jungen Jahren einige Erfahrungen mit Drogen gesammelt, sich anschließend allerdings wesentlicheren Erfahrungen im Leben zugewandt hatte:
    »Ich fühle mich heute eigentlich ›ganz normal‹. Früher hatte ich ein Problem mit der Vorstellung, ›normal‹ zu sein. Ich dachte immer, ich müsste mich irgendwie von anderen sichtbar unterscheiden oder was ganz Besonderes sein. Heute weiß ich, ich fühle mich so normal, weil ich mir erarbeitet habe, mich mit all meinen Stärken und Schwächen anzunehmen. Bestimmte Seiten an mir mag ich besonders. Diejenigen, die ich nicht so gern mag, bekämpfe ich nicht mehr. Ich lächle ihnen sozusagen freundlich zu. Eigentlich bin ich froh, dass sie ebenfalls ein Teil von mir sind. Ich möchte niemand anderes mehr sein. Meistens fühle ich mich mit mir im Reinen. Und wenn ich mal mit mir unzufrieden bin, finde ich heute Mittel und Wege, wie ich wieder ausgeglichen werde. Ich bin im Großen und Ganzen mit mir zufrieden. Und deswegen kann ich mich so normal fühlen. Das ist doch nichts Schlechtes.«
Ich habe kein Gesicht
und bin nur Scheiße …
    Einer der niederschmetterndsten Gründe, Rauschmittel zu benutzen, gründet in der eigenen seelischen Vernichtung. Das Vernichtungsgefühl mag durch vereinzelte traumatische Erlebnisse wie durch chronisch anhaltende Missachtung bewirkt worden sein. Nicht selten nimmt es seinen Anfang bereits vor der biologischen Geburt, dann nämlich, wenn ein Kind gänzlich unerwünscht ist. Neueste Ergebnisse der vorgeburtlichen (pränatalen) Forschung belegen eindrücklich, dass ein Fetus im Mutterleib bereits über eine erstaunlich differenzierte Wahrnehmung verfügt. Sein Empfindungsvermögen lässt keine weiteren Zweifel an der Tatsache zu, dass ein Kind zuverlässig spürt, ob es bei den Eltern willkommen ist oder nicht. Säuglinge, die sich unerwünscht fühlen oder gar abgetrieben werden sollten, werden als Kinder und Jugendliche häufig von dem tief eingegrabenen Lebensgefühl begleitet, kein »wirkliches Gesicht« zu besitzen oder nicht lebenswert zu sein. Doch selbst ausgesprochene Wunschkinder können noch ihr »Gesicht verlieren«, wenn sie in ihrer seelischen Existenz Vernichtung erfahren.
    In einem Qualifizierungskurs »Jugendliche und Drogen«, der für bereits berufserfahrene Sozialpädagoginnen angeboten wurde, beschrieb eine Teilnehmerin als Abschlussarbeit die bisherige Lebensgeschichte ihres Mannes sowie ihre eigene koabhängige Verstrickung mit ihm. Teile davon gebe ich hier wieder. Sie lassen nachvollziehbar werden, wie das Identitätsgefühl »Ich habe kein Gesicht« auf direktem Weg in fortschreitenden selbstschädigenden Drogengebrauch führt.
    Der Mann der Kursteilnehmerin stammt aus einer gutbürgerlichen Familie. Sein Vater war von Beruf Arzt. »Mein Mann war ein Wunschkind und wurde von der Mutter über alles geliebt. Sie war die Bezugsperson. Der Vater spielte in den ersten Lebensjahren keine große Rolle. Die 9 Jahre ältere Schwester betrachtete den Bruder anfangs als Rivalen. Als mein Mann 4 Jahre alt war, starb seine Mutter an den Folgen eines Autounfalls.«
    Der Unglücksfahrer war der Vater des 4-jährigen Jungen. Mit schweren Verletzungen lag er selbst mehrere Monate im Krankenhaus. Der Junge wurde während dieser Zeit zunächst von einer Tante und später von wechselnden Kindermädchen betreut. Er verstand nicht, wo seine Mutter abgeblieben war, »denn niemand erwähnte den Tod der Mutter. Erst Monate später teilte seine Schwester ihm mit, dass die Mutter tot sei. Man wollte ihn schonen, sagte man ihm«. Ohne innere Unterstützung und erklärende Gespräche war der Junge mit dem plötzlichen Verlust seiner wichtigsten Bezugsperson völlig alleingelassen worden.

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