Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie
liest sich wie ein leidvoller Entwicklungsroman.
Ihr Stillhalten im Leben begann bereits vor der Geburt. Ihre Mutter litt während der ersten drei Monate der Schwangerschaft unter schweren Depressionen und Schuldgefühlen. Unwillkürliche Blutungen im 3. Monat waren womöglich der unbewusste Versuch, ihr Kind auszutreiben. Nach der Geburt der Tochter verfiel sie in eine Wochenbettdepression. Sie stillte ihr Kind nicht. Obendrein hatte die Mutter vom Jahr der Geburt ihrer Tochter an über 15 Jahre hinweg schwere Alkoholprobleme.
Ihre Tochter beeilte sich mit dem Großwerden, indem sie die gespürten Erwartungen ihrer Eltern an sie vorwegnahm. Die Beziehung zur Mutter war von unvorhersehbarer Inkonsequenz geprägt. Einerseits bemühte sich die Mutter um ihre Tochter, sodass es Zeiten einer sehr engen Bindung mit viel körperlicher Nähe gab. Dann wiederum war die Mutter für ihre Tochter überhaupt nicht zu erreichen, weshalb sich das Mädchen sehr intensiv auf sich selbst konzentrierte. Seine frühe Überforderung zeigte sich in gelegentlichem nächtlichem »Weinen von unten«, also in Einnässen. Anfangs war das kleine Mädchen noch ein sehr aktives, neugieriges Kind. Zu lebhaft für seine Eltern, die ihre Tochter des Öfteren in einem Babyschlafsack im Bett festbanden, damit sie ruhig gestellt war. In dieser frühen Körpererinnerung gründet vermutlich die zwar aufrechte, aber sehr versteift und ruhig gestellt wirkende Körperhaltung der 34-Jährigen.
Über ihre Beziehung zum Vater schreibt die Klientin:
»Welche Beziehung? Der Vater war abwesend, selbst wenn er zu Hause war. Jemand, den man nicht stören durfte und mit dem man über die Mutter kommunizierte. Mischte sich nur in die Erziehung ein, wenn es ›wichtige‹ Entscheidungen zu treffen oder ein Machtwort zu sprechen galt. War für mich lange ein völlig fremder Mensch und eine ideale Projektionsfläche. In meiner Fantasie ein Verbündeter, der nur gerade keine Zeit hatte, sich mit mir zu beschäftigen. Falls er sich tatsächlich mal mit uns beschäftigte, war er sehr ungeduldig.«
Die Tochter fühlte sich von ihrem Vater nicht wahrgenommen. Sehr lebhaft führen detaillierte Erinnerungen in ihrem Gedächtnis ein Eigenleben. Mit 9 Jahren schenkte sie dem Vater zu dessen Geburtstag einen Gutschein für einen langen Spaziergang mit seiner Tochter, womit sie ihren sehnsuchtsvollen Wunsch nach innigerer Verbindung zu ihm ausdrückte. Der Vater hat den Gutschein nie eingelöst. Er hat vermutlich bis heute nicht die leiseste Ahnung, was seine Missachtung für das damals 9-jährige Mädchen bedeutete und wie das lang zurückliegende Erlebnis die erwachsene Frau bis in die Gegenwart bewegt.
Das Familienklima schildert die Klientin als »immer sehr gespannt und bedrückend«.
»Offiziell gab es keine Konflikte. Es konnte – theoretisch – über alles geredet werden und es wurde – theoretisch – für alles Verständnis aufgebracht. Meine Mutter war – theoretisch – immer für mich da. Die Praxis sah anders aus. Konflikte wurden nicht ausgetragen. Sie haben sich in subtilen Spannungen manifestiert, denen man nur durch Flucht entkommen konnte (meine Mutter durch Trinken, mein Vater durch Weggehen, meine Schwester durch Essen und später gewohnheitsmäßiges Trinken, ich durch Flucht in Fantasiewelten und später in Drogenkonsum). Verständnis wurde nur für das aufgebracht, was meine Mutter für richtig hielt. Verbale und emotionale Botschaften standen oft in krassem Gegensatz. Das Angebot ›Wir können über alles reden‹ bedeutete eigentlich ›Du musst mir alles erzählen und darfst mir nichts verheimlichen‹. Anerkennung gab’s fürs Bravsein.«
Ihr braves Stillhalten hält die erwachsene Frau über lange Jahre hinweg in Bann. Es kostet sie die eigene Lebendigkeit und Lebensfreude.
Niemand in der Familie und Verwandtschaft bemerkt etwas von den inneren Nöten des heranwachsenden Mädchens. Es gilt als »braves und vernünftiges Kind«, obgleich es zahlreiche Signale aussendet, die von einer einfühlsameren Umgebung hätten verstanden werden können. Das Mädchen entwickelt wechselnde psychosomatische Beschwerden, von Migräne bis hin zu Auffälligkeiten im Essverhalten. Zwischen 6 und 11 Jahren besteht es darauf, ein Junge zu sein und mit dem männlichen Vornamen angesprochen zu werden, den die Mutter einem von ihr heiß ersehnten Sohn gegeben hätte. Als »Junge« erhofft sich das Mädchen zum einen mehr Nähe zur Mutter und zum anderen
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