Hasenherz
Zeitschrift vom Tisch. Ein katholisches Magazin, so groß etwa wie . Er versucht, eine Geschichte zu lesen, die von einem Rechtsanwalt in England handelt, der sich so heftig betrübt über die gesetzlich gebilligte Ungerechtigkeit, mit der Heinrich der Achte die Besitztümer der Klöster konfisziert, daß er zum römisch-katholischen Glauben übertritt und am Ende gar Mönch wird. Die beiden Männer flüstern miteinander; der eine ist vielleicht der Vater des andern. Der Jüngere knetet beständig seine Hände und nickt zu dem, was der Ältere flüstert.
Eccles kommt herein, er blinzelt und sieht sehr knochig aus mit dem Kragen. Er nennt die Schwester hinter dem Empfangstisch bei ihrem Namen: Schwester Bernard. Rabbit steht auf, seine Knöchel sind aus Watte, und Eccles kommt auf ihn zu, mit wie immer gerunzelten Brauen, aber sein Blick wirkt finsterer hier, im Hospitallicht. Seine Stirn ist rotgebeizt. Er muß gerade beim Friseur gewesen sein; als er den Kopf dreht, schimmern die rasierten Flächen über seinen Ohren wie die blauen Brustfedern einer Taube.
Rabbit fragt: «Weiß sie, daß ich hier bin?» Er hat nicht gedacht, daß er selber flüstern würde. Er haßt sich, als er seine panische Stimme hört.
«Ich schau zu, daß man's ihr sagt, wenn sie überhaupt noch bei Bewußtsein ist.» Eccles spricht ganz laut, und die beiden wispernden Männer sehen hoch. Er geht zu Schwester Bernard hinüber. Die Nonne ist glücklich, mit jemandem schwätzen zu können; sie lachen beide: Eccles mit dem aufgescheuchten Prusten, das Rabbit so gut kennt, und Schwester Bernard mit den unbedarften, mädchenhaften Altweiber-Flötentönen, die ein wenig erstickt aus ihrer Kehle steigen, gedämpft von dem steifen Rüschenrahmen, der ihr Gesicht umgibt. Als Eccles sich von ihr verabschiedet hat, greift sie zum Telefon neben ihrem stoffumbauschten Ellenbogen.
Eccles kommt zurück, sieht Harry ins Gesicht, seufzt und bietet ihm eine Zigarette an. Rabbit erscheint sie in diesem Augenblick wie eine Oblate, einem Büßer gereicht, und er nimmt sie. Der erste Zug nach so vielen nikotinfreien Monaten geht über die Muskeln her, und er muß sich hinsetzen. Eccles zieht sich einen Stuhl heran und macht keine Anstalten, eine Unterhaltung einzufädeln. Rabbit fällt nichts ein, was er dem andern außerhalb des Golfbereiches sagen könnte; verlegen läßt er die Zigarette in die linke Hand hinüberwechseln und nimmt sich ein neues Journal vom Tisch, nachdem er sich vergewissert hat, daß es nichts mit Religion zu tun hat: die . Sie beginnt mit einem Artikel, in dem der Autor, dem Foto nach ein Italiener, erzählt, wie er mit Weib und vier Kindern und Schwiegermutter zu einem dreiwöchigen Campingaufenthalt in die kanadischen Rocky Mountains gefahren ist, und daß das gesamte Vergnügen nur hundert- zwanzig Dollar gekostet hat, die Investitionen für ein kleines Flugzeug nicht mitgerechnet. Seine Gedanken können nicht bei den Zeilen blei ben, sie gleiten beständig fort, verästeln sich, blühen zu kleinen, weich blätterigen Visionen auf: die schreiende Janice, der Kopf des Kindes, aus Strömen von Blut hervorbrechend, das böse, schmalkantige, blaue Licht, in das Janice blicken muß, wenn sie bei Bewußtsein ist. «Wenn sie bei Bewußtsein ist», hat Eccles gesagt, wenn sie die roten Gummi hände des Arztes wahrnimmt und sein Gazegesicht, Janices kindliche dunkle Nasenlöcher, die sich weiten, um den antiseptischen Geruch aufzunehmen, den er hier draußen riecht, diesen Geruch, der über die weißgetünchten Wände spült, der alles sauber wäscht, wäscht, Blut wegwäscht, bis zum Erbrechen alles wäscht, jede Fläche riecht wie die Innenseite eines Eimers, aber der Eimer wird nie ganz sauber sein, weil wir ihn immer wieder auffüllen mit unserm Unrat. Sein Herz ist wie in ein feuchtwarmes Tuch gehüllt. Er ist überzeugt davon, daß Janice als Strafe für seine Sünde sterben wird, sie oder das Kind. Seine Sünde, dies Konglomerat aus Flucht, Grausamkeit, Unzucht und Eitelkeit. Ein schwarzes Gerinnsel im Gekröse der Geburt. Seine Eingeweide arbei ten verzweifelt, dies Gerinnsel auszustoßen, es zu zersetzen, einzu schmelzen, aber er kehrt sich nicht dem Pfarrer zu, der neben ihm sitzt, er liest wieder und wieder denselben Ausspruch über köstlich gebratene Forellen.
Auf dem äußersten Ast seines Baums der Angst kauert Eccles, ein schwarzer Vogel, er schnippt die Seiten der Zeitschriften um und
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