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Hasenherz

Hasenherz

Titel: Hasenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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fröhlich jetzt; seine Gliedmaßen sind verkrampft, so lange sitzt er schon auf diesem mißgebildeten chromlehnigen Sessel, ihm ist übel von zu vielen Zigaretten, und trotzdem ist er fröhlich, als er an dies Mädchen denkt. Sein Herz hat sich in ein zerbrechliches Gefäß ergossen, das Eccles’ Stimme dann auch zerbricht.
    «So, jetzt habe ich diesen Artikel von Jackie Jensen ganz bis zu Ende gelesen, aber was drinsteht, weiß ich nicht.»
    «Häh?»
    «Dies Geschreibsel hier von Jackie Jensen, warum er aufhören will mit Baseball. Soweit ich's beurteilen kann, scheinen die Probleme eines Baseballspieler-Daseins sich mit denen eines Seelsorgers zu decken.»
    «Sagen Sie, wollen Sie nicht nach Haus gehn? Wie spät ist es?»
    «Ungefähr zwei. Ich möchte gern bleiben, wenn ich darf.»
    «Ich lauf schon nicht weg, wenn's das ist, was Sie verhüten wollen.»
    Eccles lacht und bleibt sitzen. Harrys erster Eindruck von ihm ist gewesen, daß er außerordentlich zäh ist, und die freundschaftlichen Gefühle, die sich im weiteren Verlauf der Bekanntschaft bei Harry eingestellt haben, sind jetzt erloschen; nur dieser Eindruck von Zähigkeit ist geblieben.
    «Als Nelson unterwegs war, hat das arme Ding zwölf Stunden gebraucht, bis er da war», warnt er Eccles.
    «Das zweite Kind kommt für gewöhnlich schneller», sagt Eccles und sieht auf die Uhr. «Es sind jetzt knapp sechs Stunden.»
    Ein Ereignis jagt das andere. Mrs. Springer tritt aus irgendeinem geheiligten Zimmer, in dem sie gewartet hat, und nickt Eccles förmlich zu. Mit dem Augenwinkel erfaßt sie Harry, und ihre kranken Füße in den baufälligen Schnürschuhen treten plötzlich unsicher auf. Eccles erhebt sich und geht mit ihr durchs Portal hinaus. Nach einer Weile kommen die beiden mit Mr. Springer zurück, der einen winzig gepunk teten Schlips trägt und ein strahlend frisches Hemd. Um zwei Uhr morgens sieht er aus, als käme er geradenwegs vom Herrenausstatter. Sein kleiner rotblonder Schnurrbart wird so oft getrimmt, daß die Oberlippe darunter schon ganz grau geworden ist. «Hallo, Harry!» sagt er.
    Diese freundliche Begrüßung ihres Ehegatten scheint die alte Dame so zu reizen, daß sie sich vor Harry aufpflanzt und ungeachtet der Beschwichtigungsversuche, die Eccles sicherlich eben draußen unter nommen hat, losschießt: «Falls Sie hier nur sitzen sollten, weil Sie wie ein Geier drauf warten, daß sie stirbt, dann scheren Sie sich nur gleich wieder dahin, wo Sie hergekommen sind, sie schafft es nämlich prächtig ohne Sie und ist ja auch bisher ohne Sie ausgekommen.»
    Die beiden Männer ziehen sie hastig mit sich fort, und die alte Nonne schaut lächelnd von ihrem Tisch auf, ist sie taub? Wenn Mrs. Springers Angriff ihn auch sehr verletzt hat, so hat doch endlich jemand etwas zu ihm gesagt, das der Ungeheuerlichkeit entspricht, die irgendwo hinter der Wand der Krankenhausgerüche vor sich geht. Bevor sie dies zu ihm gesagt hat, ist er allein gewesen auf einem toten Planeten, der um die gasige Sonne von Janices Wehen kreist. Mrs. Springers Aufschrei, auch wenn es ein Schrei des Hasses war, hat seine Einsamkeit durchbrochen. Der grauenhafte Gedanke, daß Janice sterben könnte: seit er ausgesprochen worden ist, lastet er nicht mehr so niederdrückend. Der unheimliche Hauch des Todes, der von Janice ausgeht: Mrs. Springer riecht ihn auch, und daß er dies mit ihr gemein hat, das ist das kostbarste Band, das ihn mit irgend jemandem auf dieser Welt verbindet.
    Mr. Springer kommt zurück, er geht durch den Warteraum auf den Ausgang zu und wirft seinem Schwiegersohn ein schmerzliches Lä cheln zu, in dem sich vielerlei ausdrückt: die Bitte um Verzeihen für das Benehmen seiner Frau (wir sind ja schließlich beide Männer, und ich weiß Bescheid), die Entschlossenheit, Distanz zu wahren (gleichviel, du hast dich unverzeihlich verhalten; ich will nichts mit dir zu tun haben), und die automatische Höflichkeit des Autohändlers. , denkt Harry; er schleudert diese Freundlichkeit gegen die Tür, die Springer krachend hat zufallen lassen. Wo gehen die alle hin? Wo kommen sie her? Eccles kommt zurück, versorgt ihn mit einer neuen Zigarette und geht wieder. Rabbit raucht, und sein Magen verkrampft sich. Seine Kehle fühlt sich an, als hätte er eine Nacht lang mit offenem Mund geschlafen. Sein übler Atem steigt ihm in die Nase. Ein Arzt mit tonnenwölbigem Brustkasten und unvorstellbar niedlichen kleinen Händen, die er über der

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