Hasenherz
er's vorher immer so. Die Vorstel lung, die man sich macht, ist aber schlimmer als die Wirklichkeit. Gott hat die Welt so eingerichtet. Wenn man die Menschen unmittelbar vor sich hat, ist alles halb so schlimm. Mrs. Springer ist eine plumpe, kleinwüchsige, dunkelhaarige Frau, und etwas Zigeunerhaftes geht von ihr aus. Beide, Mutter und Tochter, haben eine finstere Ausstrahlung, aber bei der Mutter ist die Gabe, Unbehagen zu verbreiten, fest eta bliert, sorgfältig in die Strategie eines bürgerlichen Lebens einbezogen. Bei der Tochter ist sie fließend, nutzlos und gefährlich für sie selber und für die andern. Eccles ist froh, daß Janice außer Haus ist. Er fühlt sich so schuldig in ihrer Gegenwart. Sie ist mit Mrs. Fosnacht nach Brewer gefahren, zu einer Vormittagsvorstellung von . Ihrer beider Söhne sind im Springerschen Garten. Mrs. Springer führt ihn durchs Haus, auf die verglaste Veranda, von der aus sie ein Auge auf die Kinder haben kann. Das Haus ist teuer, aber konfus eingerichtet; in jedem Zimmer scheint ein Sessel zuviel zu stehen. Um von der Vorder tür zur hinteren zu gelangen, müssen sie einen verschlungenen Weg durch vollgestopfte Zimmer nehmen. Sie führt ihn langsam hindurch; beide Fußknöchel sind ihr mit elastischen Bandagen umwickelt. Ihre mühevollen Trippelschritte geben ihm den Eindruck, als stecke der untere Teil ihres Körpers in einer Gipsform. Vorsichtig läßt sie sich auf die Polster des Kippsessels nieder, und Eccles erschrickt, als das Möbel quietschend und heftig schwankend ihr Gewicht aufnimmt und dabei ihre Beine hochschnellen läßt. Es scheint ihr ein kindliches Vergnügen zu bereiten. Ihre kahlen, bleichen Waden sind steif ausgestreckt, und ihre Schnürschuhe schweben sekundenlang in der Luft. Sie sind rissig und gekrümmt, als wären sie jahrelang in einer Wäschetrommel herum geworfen worden. Eccles setzt sich auf einen Gartenstuhl aus Alumi nium und Plastik, der einen komplizierten Klappmechanismus hat.
Durch die Verandascheibe an seiner Seite kann er Nelson Angstrom und den ein wenig älteren Fosnacht-Jungen sehen, die zusammen im sonnenbeschienenen Sandkasten spielen. «Nett, Sie zu sehn», sagt Mrs. Springer. «Es ist lange her, seit Sie das letzte Mal hier waren.»
«Drei Wochen gerade, nicht«wahr?» Die Stuhllehne bohrt sich ihm in den Rücken, und er hakt die Schuhabsätze hinter die Querstange unten, um das Ding am Zusammenklappen zu hindern. «Ich habe viel zu tun gehabt mit den Konfirmanden und der Jugendgruppe, die dies Jahr ein Softball-Team aufstellen will, und außerdem hat es verschiedene To desfälle in der Gemeinde gegeben.» Nach den bisherigen Begegnungen mit dieser Frau spürt er keine Neigung, sich zu entschuldigen. Es beleidigt seinen sozialen Ordnungssinn, daß sie ein so großes Haus besitzt; sie würde ihm angenehmer sein, wenn dies die Veranda einer kleinen Hütte wäre.
«Ja, nicht um die Welt möchte ich Ihren Beruf haben.»
«Meistens macht er mir große Freude.»
«So hört man. Es heißt, Sie entwickelten sich zu einem Golf-Experten.»
O weh, und er hat gedacht, sie entspanne sich gerade. Eine Sekunde lang hat er sich vorgestellt, sie säßen auf der Veranda eines schäbigen, abbröckelnden Hauses, und sie sei eine lang schon leidende, dicke Fabrikarbeitersfrau, die gelernt hat, die Dinge zu nehmen, wie sie kommen. So nämlich sieht sie aus; so nämlich hätte sie leicht geraten können. Fred Springer hat, als er sie heiratete, sicherlich nicht so vielversprechend ausgesehen wie Harry Angstrom, als er um ihre Tochter anhielt. Er versucht, sich Harry vorzustellen, wie er vor vier Jahren gewesen ist, und das Ergebnis fällt höchst erfreulich aus: groß, hübsch, als Schüler berühmt, intelligent – ein Sohn des Morgens. Sein vertrauenerweckendes Wesen muß für ein Mädchen wie Janice beson ders anziehend gewesen sein. Ehemänner sind ein trauriges Lotteriespiel. Er kratzt sich an der Stirn und sagt: «Golf zu spielen mit jemandem ist ein gutes Mittel, ihn kennenzulernen. Genau das versuche ich zu erreichen, verstehn Sie, die Menschen kennenzulernen. Ich glaube nicht, daß man jemanden, den man nicht kennt, zu Christus führen kann.»
«Schön, was wissen Sie also nun über meinen Schwiegersohn, das ich nicht wüßte?»
«Daß er ein guter Mann ist – einerseits.»
«Gut wozu?»
«Muß man zu etwas gut sein?» Er denkt darüber nach. «Ja, vermut lich muß man das.»
«Nelson! Hör augenblicklich auf!» Sie
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