Hasenherz
spöttisch nimmt er es zur Kenntnis – bewundernswert findet.
«Ach», seufzt sie, «ich glaube, da kann keiner viel ausrichten.»
«Doch, man könnte etwas tun. Vielleicht haben Sie recht mit der Polizei. Es gibt ein Gesetz zum Schutz von Ehefrauen; warum soll man es nicht in Anspruch nehmen?»
«Fred ist dagegen.»
«Mr. Springer hat gute Gründe dafür. Ich meine nicht nur geschäftli che. Alles, was bei Harry mit dem Gesetz erreicht werden kann, ist, daß er zahlt. Aber ich glaube nicht, daß in diesem Fall wirklich das Geld so wichtig ist. Ich bin überhaupt nicht so sicher, ob Geld jemals das Ausschlaggebende ist.»
«Das ist leicht zu sagen, wenn Sie immer genug gehabt haben.» Er nimmt es nicht übel. Das scheint ihr ganz automatisch herausgerutscht zu sein, mehr aus Abgespanntheit denn aus böser Absicht. Er ist überzeugt davon, daß sie ihm wirklich zuhören will.
«Mag sein. Ich weiß nicht. Auf jeden Fall aber geht mein ganzes Bestreben dahin – jedermanns Bestreben in diesem Zusammenhang –, daß die Sache zu einem guten Ende kommt. Und wenn's überhaupt eine Genesung geben kann, dann liegt es ausschließlich bei Harry und Janice, sie zu erwirken. Wieviel wir dazu auch beitragen mögen, wieviel wir auch unternehmen zum Gelingen: wir stehn ganz außerhalb.» Wie sein Vater hat er während des Redens die Hände auf dem Rücken verschränkt und sich von seiner Zuhörerin abgewandt. Durch die Scheiben beobachtet er den einen anderen Menschen, der vielleicht nicht außerhalb steht, Nelson, der dem Fosnacht-Jungen voran über den Rasen stürmt, hinter einem Nachbarshund her. Gelächter spritzt von Nelsons Kopf herunter, jeder unbeholfene, tapsende Schritt er schüttert seinen kleinen Körper. Der Hund ist alt, rötlich, klein und sehr langsam. Dem Fosnacht-Jungen ist es ein wenig mulmig, aber trotzdem findet er es vergnüglich, als Nelson «Löwe! Löwe!» schreit. Es ist interessant für Eccles, zu sehen, daß in Friedenszeiten Angstroms Junge den andern führt. Die grüne Luft, die durch die blinden Scheiben einströmt, zittert unter Nelsons Lärm. Eccles erkennt klar die Situa tion: dieser ständige, strahlende Fluß selbstbezogener Erregtheit muß sich in des stumpferen Jungen engeren Begriffskanälen unweigerlich ab und an stauen und einen trüben Gegenstrom verursachen, eine Tat stumpfsinniger Tyrannei. Er hat Mitleid mit Nelson, der noch manches Mal in unschuldigem Erstaunen stranden wird, bis er die Quelle dieser seltsamen Rückflut in sich selbst erkennt. Eccles kommt es so vor, als sei er als Junge genauso gewesen: immer hat er gegeben und gegeben, und immer wurde dann ein jäher Schlag gegen ihn geführt. Der alte Hund wedelt mit dem Schwanz, als die Jungen näher rücken. Und als sie ihn dann umzingeln wie Jäger und laut krähen dabei, hört er auf zu wedeln, geht in wachsame Stellung und krümmt den Schwanz zu einem unsicheren Bogen. Nelson reckt die Arme aus und schlägt dem Hund mit beiden Händen auf den Rücken. Eccles will schreien, der Hund könnte beißen, er kann nicht mehr hinsehen.
«Ja, aber er treibt doch immer weiter weg», lamentiert Mrs. Springer. «Er ist ja schon ganz weit weg. Er hat gar keinen Grund zurückzukom men, wenn wir ihm nicht einen geben.»
Eccles setzt sich wieder auf den Aluminiumstuhl. «Nein. Er wird aus demselben Grund zurückkommen, aus dem er gegangen ist. Er ist anspruchsvoll. Niemand kann’s ihm recht machen. Die Welt, in der er jetzt lebt, die Welt dieses Mädchens in Brewer, wird auf die Dauer seine Phantasie nicht befriedigen. Ich sehe ihn ja jede Woche, und ich habe jetzt schon eine Veränderung bemerkt.»
«Das, was Peggy Fosnacht erzählt, hört sich aber nicht so an. Sie sagt, sie hört immer nur, daß er ein Leben führt wie die Made im Speck. Ich will nicht wissen, wieviel Frauen er hat.»
«Nur eine, da bin ich ganz sicher. Das Merkwürdige an Angstrom ist, daß er von Natur eine häusliche Veranlagung hat. Ach du meine Güte!»
Die kleine Gruppe hinten im Garten stiebt auseinander: die Jungen rennen in die eine Richtung, der Hund in die andere. Der junge Fos nacht bleibt dann stehen, aber Nelson rennt weiter, und sein Gesicht ist in die Breite gezerrt vor Entsetzen.
Mrs. Springer hört sein Schluchzen und sagt ungehalten: «Haben sie Elsie wieder zum Schnappen gebracht? Der Hund muß geisteskrank sein, daß er immer wieder hier rüberkommt.»
Eccles springt auf, der Stuhl klappt hinter ihm zusammen, er reißt die Glastür auf und
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