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Hasenherz

Hasenherz

Titel: Hasenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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Sechzehnjährigen hinüber, weit zierli cheren Gestalten, die Orangensaft aus Pappbechern saugen. Die eine trägt einen weißen trägerlosen Badeanzug und linst mit braunem Blick von ihrem Strohhalm hoch, zu ihm hin. Ihre hageren Beine negerdun kel. Die Hüftknochen dürre Bögen links und rechts ihres konkaven, flachen Bauchs.
    «Alle Welt liebt dich», sagt Ruth plötzlich. «Ich möchte nur wissen, warum.»
    «Ich bin eben liebenswert», sagt er.
    «Warum zum Teufel gerade du? Was ist so besonders an dir?»
    «Ich bin ein Mystiker», sagt er. «Ich flöße den Menschen Vertrauen ein.» Eccles hat ihm das gesagt. Mit einem Lachen allerdings, wahr scheinlich hat er es spöttisch gemeint. Aber man weiß nie, wie Eccles das meint, was er sagt. Man muß es sich schon selber zurechtlegen. Dies hat jedenfalls Eindruck auf Rabbit gemacht. Er selber wäre nie auf diesen Gedanken gekommen. Er denkt nicht viel darüber nach, was er andern Menschen einflößt.
    « Mir machst du Kummer», sagt sie.
    «Na so was. Schande über mich.» Diese Ungerechtigkeit: nachdem er so stolz auf sie gewesen ist, als sie gebadet hat vorhin, und er sie so geliebt hat.
    «Wieso denkst du eigentlich, du hast es nicht nötig, auch mal was zu leisten?»
    «Was ist in dich gefahren? Ich ernähre dich doch.»
    «Den Teufel tust du. Ich habe meine Arbeit.» Es stimmt. Kurz nachdem er bei Mrs. Smith in Brot und Lohn getreten ist, hat sie einen Job als Stenotypistin bei einer Versicherungsgesellschaft angenommen, die eine Zweigstelle in Brewer hat. Er wollte das so. Es machte ihn nervös, darüber nachzudenken, wie sie wohl ihre Nachmittage ver brachte, wenn er weg war. Sie sagte, diese alte Sache habe ihr nie behagt. Aber er ist da nicht so sicher. Man kann nicht behaupten, daß sie litt, als er sie kennenlernte.
    «Gib sie auf», sagt er. «Ich pfeif darauf. Sitz ruhig den ganzen Tag rum und lies Kriminalromane. Ich ernähre dich schon.»
    «Du willst mich ernähren! Wenn du so tüchtig bist, warum unter stützt du dann nicht deine Frau?»
    «Warum sollte ich? Ihr Vater tut's ja schon.»
    «Du bist so selbstgefällig, das macht mich ganz krank. Denkst du nie daran, daß du irgendwann vielleicht mal einen Preis zu zahlen hast?»
    Sie sieht ihn an jetzt, ganz unverhüllt, ihre Augen sind blutunterlaufen vom Wasser. Sie beschattet sie mit der Hand. Das sind nicht mehr die Augen von damals, als er sie kennengelernt hat, bei den Parkuhren an jenem Abend, das sind nicht mehr die flachen, blassen Scheiben wie bei einer Puppe. Das Blau der Pupillen hat sich nach innen hin vertieft, ist dunkler geworden, voller und flüstert seinen Instinkten eine Wahr heit zu, die ihn beunruhigt.
    Diese Augen brennen, und Ruth wendet den Kopf ab, um die Tränen zu verbergen, und denkt: Das ist auch ein Zeichen, daß man so leicht weint. O Gott, bei der Arbeit muß sie plötzlich von der Maschine aufstehn und aufs Klo stürzen, als ob sie Durchfall hätte, und heulen, heulen, heulen. Da steht sie dann und kuckt ins Toilettenbecken runter, das sie auslacht, und heult so sehr, bis ihr der Brustkasten weh tut. Und die Müdigkeit. O Gott, wenn sie von der Mittagspause zurückkommt, muß sie sich zusammenreißen, daß sie sich nicht hinlegt im Mittelgang auf den schmutzigen Fußboden zwischen Lily Orff und Rita Fiorvante, wo dieser widerliche Kerl, dieser Honig, dann immer über sie wegstei gen müßte. Und der Hunger. Ein Eiskremsoda und ein belegtes Brot zum Lunch und dann ein Stück Kuchen und Kaffee, und dann muß sie sich trotzdem noch irgendwas Süßes an der Kasse kaufen. Und das, wo sie doch so versucht hat, schlanker zu werden für ihn und auch tatsächlich sechs Pfund schon verloren hat – wenigstens die eine Waage hat es so angegeben. Für ihn, das ist es ja gerade, sie will sich ändern für ihn, und dabei ist er's überhaupt nicht wert, er ist weniger als nichts, er ist ein Scheusal, trotz all seiner Sanftheit. Er war von Anfang an so gewe sen, so sanft. Die andern nie. Die andern, wenn sie erst mal wußten, daß man so eine war, hielten einen dann nicht mehr für ein menschliches Wesen und dachten, ihnen stünde alles zu. Stimmte ja vielleicht auch, aber worauf sie alles kamen! Es war, als ob sie Frauen haßten und sie, Ruth, benutzten. Aber jetzt verzeiht sie ihnen, weil alles sich auflöst, der nächste Tag ist der nächste Tag, und man ist immer noch dieselbe und immer noch da, und die andern sind weg. Je älter sie waren und je mehr sie aussahen wie Präsidenten,

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