Hasturs Erbe - 15
„Sir, Ihr wart bei meinem Großvater Falkner, doch habe ich Euch mein ganzes Leben lang niemals bei Hofe gesehen. Danilo hatte eine noch bitterere Wahl: Er sollte Gunst durch unehrenhafte Mittel gewinnen, oder seine eigene Ehre nur zum Preis offensichtlicher Schande erhalten. Kurz, Sir, Euer Sohn beleidigte den Stolz eines Mannes, der Macht besitzt, aber nicht die Ehre, die der Macht ihre Würde verleiht. Und dieser Mann hat sich gerächt.” Die Stirn des Alten runzelte sich, während er langsam begriff, was Regis sagte. „Wenn die Anklage ungerechtfertigt war, ein Akt privater Rache, warum hat es mein Sohn mir nicht erzählt?”
„Weil Dani, Dom Felix, furchtete. Ihr würdet Euch ruinieren, indem Ihr ihn rächtet.” Rasch fügte er hinzu, als er sah, wie in den Augen des Alten tausend Fragen aufzublitzen begannen: „Ich habe Danilo versprochen. Euch nicht mehr darüber zu berichten. Werdet Ihr das Wort eines Hasturs akzeptieren, daß er ohne Makel ist?”
Das besorgte Gesicht hellte sich auf. „Ich segne Euer Kommen und bitte Euch um Entschuldigung für meine groben Worte, Lord Regis. Ich bin kein Höfling. Aber ich bin Euch dankbar.”
„Und loyal zu Eurem Sohn”, fügte Regis hinzu. „Habt keinen Zweifel, Dom Felix, er ist es auch wert.”
„Wollt Ihr nicht doch mein Haus beehren, Lord Regis?” Dieses Mal kam das Angebot von Herzen, und Regis lächelte. „Ich bedaure, aber ich kann nicht, Sir. Ich werde woanders erwartet. Danilo hat mir Eure Gastfreundschaft erwiesen. Ihr züchtet die besten Äpfel, die ich seit langer Zeit genossen habe. Und ich gebe Euch mein Wort, daß es mir eines Tages ein Vergnügen sein wird, dem Vater meines Freundes die Ehre zu erweisen. In der Zwischenzeit bitte ich Euch, Euch mit Eurem Sohn zu versöhnen.”
„Dessen könnt Ihr gewiß sein, Lord Regis.” Er blieb stehen und starrte hinter dem davonreitenden Jungen her, und Regis spürte seine Verwirrung und Dankbarkeit. Als er langsam den Hügel hinabritt, um seine Leibwache zu treffen, merkte er, welcher Aufgabe er sich hier wirklich verschrieben hatte: Danilos guten Namen wiederherzustellen und sicherzustellen, daß Dyan seine Macht nicht noch einmal derart mißbrauchen konnte. Was bedeutete, daß er, der einst geschworen hatte, sich von den Comyn loszusagen, sie nun von innen heraus reformieren wollte, er allein, bevor er seine eigene Freiheit genießen konnte.
12
(Lew Altons Erzählung)
Die Hügel hinter Kadarin werden höher und gehen langsam in das Gebirge über, in das unbekannte Land, wo nicht mehr das Gesetz der Comyn herrscht. In meinem gegenwärtigen Zustand fühlte ich mich, als ich Kadarin hinter mir ließ, als sei mir ein Riesengewicht von der Schulter gefallen.
In diesem Teil der Welt, ein Fünftagesritt nördlich von Then-dara, bedeutete mein Geleitschutz nichts. Des Nachts schliefen wir in Zelten und hielten Wache. Es war ein ödes Land, seit langem schon verlassen. Vielleicht nur drei- oder viermal bei einem Tagesritt sahen wir ein kleines Dörfchen, vielleicht ein halbes Dutzend Häuser, die sich auf einer Lichtung drängten, oder ein kleines Anwesen, wo ein zäher Bauer mit dem steinigen Boden und dem verwilderten Wald um den nackten Lebensunterhalt rang. Es gab hier so wenige Reisende, daß die Kinder aus den Häusern kamen und uns nachsahen.
Die Straßen wurden immer schlechter, je weiter wir in die Berge vorstießen. Manchmal waren sie zu bloßen Trampelpfaden für Ziegen herabgekommen. Es gibt auf Darkover nicht viele gute Straßen. Mein Vater, der viele Jahre auf Terra gelebt hat, hat mir von den guten Straßen dort berichtet, aber hinzugefügt, es gäbe keine Möglichkeit, dieses System hierher zu übertragen. Für Straßenbau braucht man Sklavenarbeiter oder ungeheure Mengen von arbeitswilligen Menschen zum Mindestlohn oder schwere Maschinen. Auf Darkover hat es noch niemals Sklaven gegeben, nicht einmal Sklaven für die Bedienung von Maschinen. Es wunderte also nicht, dachte ich, wenn die Terraner zögerten, den Raumhafen in dieses Gebirge zu verlegen.
Um so überraschter war ich, als wir am neunten Tag unserer Reise auf eine breite Straße gelangten, die gut gepflastert und breit genug für Karren und einige nebeneinanderher reitende Männer war. Mein Vater hatte mir auch gesagt, daß Caer Donn, als er zum letzten Mal im Gebirge in der Nähe von Aldaran gewesen war, nicht größer als ein mittleres Dorf gewesen sei. Berichte hatten ihn in der Zwischenzeit davon in Kenntnis gesetzt, es sei
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