Hasturs Erbe
Vetter?« Hastur stand vor seinem Schreibtisch, ein kräftiger alter Mann, nicht so hochgewachsen wie Kennard, mit vollem Haar, das einst silbrig-golden gewesen und nun fast ergraut war. Er sprach mit langsamer, überlegter Freundlichkeit. »Ich habe geduldet, daß du uns Lew aufgezwungen hast, und ich habe es nicht bereut. Aber es hängt noch mit mehr zusammen. Lew sieht nicht wie ein Comyn aus, nicht mehr als du auch, aber es ist überhaupt keine Frage, daß er Darkovaner und dein Sohn ist. Aber Marius? Unmöglich!«
Kennard preßte die Lippen zusammen. »Stellt Ihr die Vaterschaft eines anerkannten Alton-Sohnes in Frage?« Regis, der ruhig in der Ecke stand, war froh, daß sich Kennards Wut nicht gegen ihn richtete.
»Aber keineswegs. Doch er hat das Blut und das Gesicht seiner Mutter und ihre Augen. Mein Freund, du weißt, was die Kadetten der Wache in ihrem ersten Jahr durchmachen müssen …«
»Er ist mein Sohn und kein Feigling. Warum glaubt Ihr, ist er unfähig, seinen Platz einzunehmen, einen Platz, auf den er ein Recht hat?«
»Recht? Nein. Ich will mich mit dir nicht streiten, Ken, aber deine Heirat mit Elaine haben wir niemals anerkannt. Rechtmäßig ist Marius, was das Erbe und die Domänenrechte betrifft, in keiner Weise abgesichert. Lew haben wir das Recht gegeben. Und zwar nicht aufgrund seiner Geburt, sondern durch einen Akt des Rates, weil er ein Alton ist, ein Telepath, mit vollem Laran . Marius hat kein solches Recht vom Rat bekommen.« Er seufzte. »Wie kann ich dir das nur beibringen? Ich bin sicher, der Junge ist mutig, wahrhaftig und ehrlich – er hat bestimmt alle Tugenden, die die Comyn von ihren Söhnen erwarten. Jeder Junge, den du erzogen hast, würde solche Qualitäten aufweisen. Wer sollte das besser wissen als ich? Aber Marius sieht wie ein Terraner aus. Die anderen Jungen würden ihn in Stücke reißen. Ich weiß, was Lew mitgemacht hat. Er tat mir leid, wenn ich auch seinen Mut bewundert habe. Auf ihre Weise haben sie ihn nun akzeptiert. Marius würden sie niemals akzeptieren. Niemals. Warum soll man ihn für nichts solches Elend durchmachen lassen?«
Kennard ballte die Fäuste und schritt wütend im Zimmer auf und ab. Mit zornerstickter, aber klarer Stimme sagte er: »Ihr meint, ich kann einen Kadettenplatz für einen armen Verwandten bekommen oder für einen Bastardsohn von irgendeiner Hure oder für einen Idioten, ehe ich dies für meinen legitim geborenen jüngeren Sohn erhalte?«
»Kennard, wenn es an mir hinge, würde ich dem Jungen seine Chance geben. Aber mir sind die Hände gebunden. Es gab im Rat genug Aufruhr über die Bürgerrechte für jene mit Mischblut. Dyan …«
»Ich weiß nur zu gut, wie Dyan sich fühlt. Er hat es genügend klargestellt.«
»Dyan genießt im Rat große Unterstützung. Und Marius’ Mutter war nicht nur Terranerin, sondern auch noch zur Hälfte Aldaran. Wenn du einige Generationen lang auf Darkover gesucht hättest, du hättest kaum eine finden können, die als Mutter deiner rechtmäßigen Söhne geringere Chancen auf Anerkennung gehabt hätte als sie.«
Kennard sagte leise: »Es war Euer eigener Vater, der mich nach dem Willen des Rats nach Terra geschickt hat, als ich vierzehn Jahre alt war. Elaine ist auf Terra aufgewachsen und dort zur Schule gegangen, doch sie hielt sich für eine Darkovanerin. Zuerst wußte ich überhaupt nichts von ihrem terranischen Blut. Doch es spielte keine Rolle. Selbst wenn sie reinrassige Terranerin gewesen wäre …« Er brach ab. »Genug davon. Es ist lange her, und sie ist tot. Und was mich angeht, so glaube ich, meine Laufbahn und mein Ruf, meine Jahre als Kommandeur der Wache und die zehn Jahre auf Arilinn haben genügend gezeigt, wer und was ich bin.« Er schritt durch den Raum. Sein ungleichmäßiger Schritt und das zerquälte Gesicht verrieten die Emotionen, die er aus seiner Stimme herauszuhalten versuchte. »Ihr seid kein Telepath, Hastur. Für Euch war es leicht, das zu tun, was die Kaste von Euch erwartete. Die Götter wissen es, ich versuchte, Caitlin zu lieben. Es lag nicht an ihr. Aber ich liebte Elaine, und sie war die Mutter meiner Söhne.«
»Kennard, es tut mir leid. Ich kann nicht gegen den ganzen Rat für Marius kämpfen, es sei denn … er hat Laran .«
»Ich habe keine Ahnung. Spielt es eine Rolle?«
»Wenn er die Gabe der Altons hätte, wäre es möglich – nicht leicht, aber möglich – ihm einige Rechte zuzugestehen. Es gibt Präzedenzfälle. Mit Laran kann man sogar einen
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