Hasturs Erbe
Hügel niedergekauert hatte und um den herum merkwürdige Feuer explodierten. Er zitterte vor Angst, als Männer um ihn her tot umfielen und näher und näher herankamen. Er wußte, daß er in wenigen Minuten ebenfalls von einem dieser Feuer in Stücke zerfetzt werden würde. Dann fühlte er in der Dunkelheit etwas näher an sich herankommen, das ihn hielt und seinen Körper mit seinem eigenen schützte. Regis wurde ruckartig wach und zitterte. Er rieb sich die Augen und sah sich in der stillen Baracke um, die nun der Mond schwach erhellte. Er sah die verschwommenen Umrisse der anderen schlafenden Kadetten, die schnarchten oder im Schlaf murmelten. Keiner von ihnen war wirklich, dachte er, ehe er sich wieder auf die harte Matratze legte.
Nach einer Weile begann er wieder zu träumen. Dieses Mal wanderte er über eine öde, graue Landschaft, wo nichts zu erkennen war. Irgendwo weinte jemand in dem grauen Raum, schluchzte heftig und eindringlich. Regis wandte sich immer wieder in eine andere Richtung, nicht sicher, woher das Weinen klang, oder versuchte, von dem elenden Ton fortzukommen. Durch die Schluchzer hindurch klangen zitternd Worte. »Ich will nicht. Ich will nicht. Ich kann nicht.« Jedes Mal, wenn das Weinen einen Moment nachließ, hörte man eine harte Stimme, die fast vertraut klang: »Oh ja, du willst. Du weißt, daß du gegen mich nichts ausrichten kannst.« Und dann wieder: »Hasse mich, soviel du nur willst, das mag ich um so lieber.« Regis zuckte vor Furcht zusammen. Dann war er allein mit dem Weinen, den gebrochenen Schluchzern des Protests und des Flehens. Er suchte in der grauen Einsamkeit weiter, bis ihn in der Dunkelheit eine Hand berührte, ein grobes, ungehöriges Suchen, halb schmerzhaft, halb aufregend. Er rief: »Nein!« Dann fiel er erneut in tieferen Schlaf.
Dieses Mal träumte er, er sei wieder im Hof der Schüler von Nevarsin und übte mit hölzernen Schwertern. Regis hörte das Keuchen von zwei Personen, verdoppelt und verstärkt in dem großen, hallenden Raum, als sich der gesichtslose Gegner vor ihm bewegte und seine Bewegungen immer rascher wurden. Regis merkte, daß sie beide nackt waren und die Hiebe auf seiner bloßen Haut landeten. Als sich sein gesichtsloser Gegner schneller und schneller bewegte, wurde Regis selbst immer gelähmter und war schwerfällig und kaum noch imstande, das Schwert zu heben. Und dann verbot ihm eine klingende, laute Stimme, weiterzumachen. Und Regis ließ das Schwert sinken und blickte unter die dunkle Kapuze des bittenden Mönches. Aber es war nicht der Novizenmeister aus Nevarsin, sondern Dyan Ardais. Als Regis vor Furcht wie angewurzelt stehenblieb, nahm Dyan das herabgefallene Schwert auf, das jetzt kein hölzernes Übungsschwert mehr war, sondern ein grausam scharfes Rapier. Dyan hielt es gezückt, und Regis sah mit Entsetzen und Grausen, wie sich das Schwert langsam in seine Brust bohrte. Merkwürdigerweise verspürte er nicht den leisesten Schmerz, und Regis blickte hinab und schauderte angesichts der Klinge, die sich durch seinen Körper bohrte. »Das ist, weil es nicht das Herz berührt hat«, sagte Dyan, und Regis erwachte mit einem erstickten Schrei und setzte sich kerzengerade im Bett aufrecht. »Zandru«, flüsterte er und wischte sich den Schweiß von der Stirn, »was für ein Alptraum!« Er merkte, wie sein Herz immer noch pochte und dann, daß Schenkel und Laken feucht und klebrig waren. Jetzt, da er hellwach war, wußte er, was geschehen war, und er mußte über die Absurdität des Traums fast lachen, doch es hielt ihn immer noch im Griff, so daß er sich nicht wieder hinlegen und einschlafen konnte.
Es war still in der Baracke, und es war noch eine Stunde bis Tagesanbruch. Er war nicht mehr betrunken oder benommen, doch hinter den Augen verspürte er einen pochenden Schmerz.
Langsam wurde er sich bewußt, daß Danilo im Bett nebenan hilflos weinte, hilflos und verzweifelt wie in hoffnungslosem Schmerz. Er erinnerte sich an das Weinen in seinem Traum. Hatte er das Geräusch gehört und in seinen Traum hineingenommen?
Dann merkte er mit langsamem Erstaunen und Verwunderung, daß Danilo gar nicht weinte.
Er konnte in dem schwachen Mondlicht erkennen, daß Danilo in Wirklichkeit reglos in tiefem Schlaf lag. Er konnte den leisen, regelmäßigen Atem hören und die abgewandte Schulter sich leise und rhythmisch bewegen sehen. Das Weinen hatte keinen Ton, sondern war nur eine Art unberührbares Muster vibrierenden Elends und Verzweiflung,
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