Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hasturs Erbe

Hasturs Erbe

Titel: Hasturs Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
Vom Netzwerk:
wie das verlorene Weinen seines Traums, aber ohne Geräusch.
    Regis legte die Hand auf die Augen und dachte mit zunehmendem Erstaunen, daß er das Weinen nicht gehört hatte, es aber zur gleichen Zeit wußte .
    Es stimmte also. Laran . Nicht zufällig von einem anderen Telepathen aufgefangen, sondern sein eigenes.
    Dieser Schock vertrieb alle anderen Gedanken aus seinem Kopf. Wie war es geschehen? Und wann? Und die Frage brachte auch die Antwort: an jenem ersten Tag in der Baracke, als Dani ihn berührt hatte. Er hatte heute nacht von dieser Unterhaltung geträumt, hatte einen Moment geträumt, er sei sein Vater. Wieder verspürte er den Drang zur Nähe, nach einer so intensiven Emotion, und ein Kloß saß ihm in der Kehle. Danilo schlief nun ruhig, und selbst die unhörbare Impression von Weinen war verebbt. Regis war besorgt, zermürbt und zerrissen von den Überresten von Kummer bei seinem Freund und fragte sich, was mit ihm los sein mochte.
    Schnell verdrängte er die Neugier. Lew hatte gesagt, man müsse lernen, Distanz zu bewahren, um zu überleben. Es war ein sonderbarer, trauriger Gedanke. Er konnte sich nicht in die Intimsphäre des Freundes eindrängen, dennoch war er immer noch über dessen Kummer den Tränen nahe. Hatte ihn jemand verletzt oder mißhandelt?
    Oder war Danilo einfach heimwehkrank und einsam und wollte zu seiner Familie? Regis wußte so wenig über ihn.
    Er erinnerte sich an seine eigene Zeit in Nevarsin. Kalt, einsam, traurig, ohne Freunde hatte er seine Familie gehaßt, weil sie ihn dorthin geschickt hatte. Nur ein heftiger Kern von Hastur-Stolz hatte ihn davor zurückgehalten, sich eine lange Zeitlang jeden Abend in den Schlaf zu weinen.
    Aus irgendeinem Grund erfüllte ihn dieser Gedanke erneut mit einem fast unerträglichen Gefühl von Angst, Furcht und Ruhelosigkeit. Er sah hinüber zu Danilo und wünschte sich, er könnte mit ihm darüber reden. Dani kannte es. Er würde es wissen. Regis wußte, daß er bald mit irgend jemandem würde darüber reden müssen. Doch wem sollte er es erzählen? Seinem Großvater? Die plötzliche Erkenntnis seines Larans machte Regis merkwürdig verletzlich, wieder und wieder erschüttert durch Wellen von Gefühlen. Wieder war er fast am Rande eines Tränenausbruchs, dieses Mal um seinen Großvater, der noch einmal den heftigen, zerreißenden Moment erlebte, in dem sein Sohn den grausamen Tod starb.
    Und, immer noch verletzlich, verwandelte sich Kummer in Aufsässigkeit. Er war sich sicher, sein Großvater würde ihn zwingen, den vorbereiteten Weg aller Hasturs mit Laran zu gehen. Er würde niemals frei werden! Wieder sah er das große Raumschiff auf seinem Weg zu den Sternen, und sein Herz, sein Körper und seine Seele sehnten sich danach, ihm ins Unbekannte zu folgen. Wenn er diesen Traum weiterverfolgte, dürfte er es seinem Großvater niemals erzählen.
    Aber er könnte es Dani mitteilen. Es verlangte ihn fast schmerzhaft danach, die kurze Entfernung zu dessen Bett überbrücken zu können, neben ihn zu gleiten und diese unglaubliche Doppelerfahrung von Schmerz und Freude mit ihm zu teilen. Aber er hielt sich zurück und erinnerte sich mit fordernder, fremdartiger Schärfe an das, was Lew gesagt hatte: Es sei, wie wenn man ohne Haut lebte. Wie konnte er die Last seiner eigenen Gefühle auf Dani übertragen, den selbst irgendein unbekannter Kummer belastete und der so verstört und von Alpträumen heimgesucht war, daß seine ungeweinten Tränen als hörbares Weinen in Regis Träume eindrangen? Wenn er die telepathische Gabe besitzen sollte, dachte Regis traurig, so würde er lernen müssen, nach den Gesetzen der Telepathen zu leben. Er spürte, wie kalt und verkrampft er war, und kroch zurück unter die Decken. Er wickelte sich eng ein und fühlte sich einsam und traurig. Wieder fühlte er sich merkwürdig unkonzentriert, trieb in angstvolles Suchen ab, doch als Antwort auf die Fragen seiner Seele sah er nur flüchtige Bilder und Vorstellungen, Männer und fremdartige Nichthumanoiden, die auf einem schmalen Felsengrat miteinander kämpften, die Gesichter zweier kleiner Kinder, schön und feingezeichnet und vom Kinderschlaf aufgelöst, dann in Todeskälte mit einem Schmerz, der fast zu grauenvoll war, als daß man ihn aushallen konnte, tanzende, herumwirbelnde Gestalten, die in wahnsinniger Ekstase wie Blätter im Winde wirbelten, eine hohe aufragende Gestalt, die feurig erglühte …
    Erschöpft schlief er wieder ein.
     

 
8
     
    (Lew Altons

Weitere Kostenlose Bücher