Hauch der Verdammnis
Alarmglocke in Katharine läuten. »Ich glaube schon«, sagte sie. »Wir hatten heute morgen Regen. Vielleicht hängt es damit zusammen.«
»Vielleicht haben aber auch die Erdbeben eine Gasader geöffnet«, entgegnete Howell.
Besorgt sah Katharine zu Rob hinüber. »Erdbeben?« wiederholte sie. »Wovon redet er?«
»Der Vulkan«, sagte Howell, bevor Rob antworten konnte. »Sieht aus, als würde er bald wieder spucken.«
Katharine sah Rob entsetzt an. »Du hast gesagt, er sei erloschen!«
»Das ist er auch«, beruhigte Rob sie. »Er redet vom Kilauea auf der Großen Insel.« Katharines Miene sagte ihm, dass sie nicht überzeugt war. »Sag du's ihr, Phil. Mir glaubt sie offenbar nicht.«
Katharine hörte schweigend zu, als Phil Howell ihr die vulkanischen Bewegungen unter der Großen Insel erklärte. »Es ist nicht nur das Erdbeben«, sagte er schließlich. »Wenn er wirklich loslegt, spuckt er so viel Staub in die Luft, dass man nichts mehr sehen kann, selbst wenn die Teleskope ruhig stehen sollten.« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu. »Da fragt man sich doch wirklich, ob Berggipfel tatsächlich die besten Stellen für Observatorien sind, nicht wahr?«
Katharine antwortete nicht, aber während sie dem Astronomen die Fundstelle zeigte, wanderte ihr Blick immer wieder zu dem Loch in der Felsspalte, wo sich der alte Eruptionskanal befand. Inmitten der üppigen Vegetation des Regenwaldes sah alles friedlich und harmlos aus.
Sie versuchte sich auf ihre Schilderung zu konzentrieren, aber es kam ihr vor, als würde der Schwefelgeruch immer stärker. Sollte sie Rob und Phil davon erzählen? Doch die beiden schienen nichts dergleichen zu bemerken. Also bildete sie sich das nur ein.
Hoffentlich.
Die beiden Jungen aus dem Bus verfolgten Michael den ganzen Tag wie eine fleischgewordene Drohung. Wo auch immer er hinging, schienen sie schon auf ihn zu warten. Zu zweit standen sie da und starrten ihn düster an. Während der Pause zwischen den letzten beiden Stunden drängten sie ihn gegen ein Schließfach.
»Noch eine Stunde«, knurrte der Größere. »Dann bist du tot, haole.« Bis jetzt hatten sie ihm allerdings noch nichts getan, und wenn sie vorhatten, ihn nach der Schule abzupassen, konnten sie lange warten. Michael wollte etwas tun, das er noch nie zuvor gemacht hatte. Heute wollte er sich beim Leichtathletikteam anmelden, zum erstenmal in seinem Leben.
Er hatte sich während der Sportstunde dazu entschlossen. Den ganzen Tag über hatte er auf seinen Atem gehört und keinerlei Probleme festgestellt. Im Gegenteil, er fühlte sich besser als je zuvor. »Warte ab«, hatte Josh Malani zu ihm gesagt, als sie auf der Bahn liefen. »Manchmal ist es ganz windstill, und wenn sie dann die Zuckerrohrfelder abbrennen oder der Vulkan auf der Großen Insel ausbricht, dann erstickst du hier praktisch.«
Aber das Atmen war ihm ganz leichtgefallen, und auch nach drei Runden war er kaum aus der Puste gewesen. Als er dann am schwarzen Brett im Umkleideraum gesehen hatte, dass am Nachmittag das Laufteam trainierte, hatte er seinen Entschluß gefasst. Heute würde er es tun.
Nachdem die Schlußglocke geläutet hatte, verließ er die Schule nicht durch den Seitenausgang, wo die Busse - und die beiden Typen - warteten, sondern ging wieder zu den Umkleideräumen.
Er zog sich aus und streifte seine Sporthose über, die vom morgendlichen Sportunterricht noch feucht war. Sorgfältig band er die Schnürsenkel seiner Laufschuhe zu, wobei er darauf achtete, sie nicht zu fest anzuziehen, damit seine Füße nicht anschwollen, noch bevor er sich richtig aufgewärmt hatte. Dann lief er hinaus aufs Feld, wo das Laufteam bereits mit den Dehn- und Streckübungen begonnen hatte.
Sollte er sich ihnen anschließen oder sich allein aufwärmen?
Aber was, wenn er zu ihnen ging, als gehöre er bereits dazu, und es dann gar nicht schaffte, ins Team aufgenommen zu werden? Vielleicht war es besser, erst einmal ein, zwei Runden allein zu laufen.
Er hatte gerade die erste Runde beendet und etwa hundert Meter von der zweiten zurückgelegt, als er plötzlich einen Ellenbogen in den Rippen spürte.
»Was soll das werden, du Spinner?« fragte eine ihm nicht unbekannte Stimme.
Michael sah zur Seite, ohne den Kopf zu drehen. Der größere der beiden Typen aus dem Bus lief neben ihm. Er trug Laufkleidung.
Schweigend lief Michael weiter.
Der andere Junge, der Michael um einen Kopf überragte, lief weiter neben ihm. »Kannst du nicht sprechen,
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