Hauch der Verfuehrung
überhaupt an einer Ehe interessiert bin -zumindest was die nähere Zukunft anbetrifft.«
Das war zurzeit seine Meinung, die er allerdings bislang noch niemandem mitgeteilt hatte.
»So?« Minnie riss die Augen auf. Einen Augenblick war sie ernst und betrachtete suchend sein Gesicht, dann kehrte ihr Lächeln langsam wieder zurück. »Ich an deiner Stelle würde mir deswegen nicht den Kopf zerbrechen, mein Lieber.« Sie tätschelte ihm wieder die Hand. »Wenn dir die Richtige begegnet, ist alles mit einem Mal sonnenklar.«
Timms nickte weise. »Allerdings. Es macht keinen Sinn, sich einzubilden, dass du dabei etwas zu entscheiden hättest.«
Das beruhigte ihn nicht unbedingt, sondern versetzte ihn eher in Sorge. Doch diese Gefühle verbarg er hinter einem Lächeln. Dann entdeckte er eine Gruppe Freunde und ergriff die Gelegenheit zum Rückzug. Er verabschiedete sich von Minnie und Timms und schlenderte über den Rasen davon.
Die vier Herren grüßten ihn. Er kannte sie; wie er waren sie in heiratsfähigem Alter und lebten in ähnlichen Verhältnissen. Sie standen ein wenig abseits, betrachteten das Feld.
»Das Curtiss-Mädchen ist ganz reizend, was?« Philip Montgomery hob sein Monokel, um die Schöne besser beobachten zu können, die mit ihren beiden Schwestern über einen Weg schritt.
»Insofern du das Gekicher aushältst«, erwiderte Elmore Standish. »Meiner Ansicht nach kommt die Kleine von Etherington eher in Frage.«
Gerrard hörte nur mit halbem Ohr auf ihre Kommentare; er gehörte zu ihrer Gesellschaftsschicht, aber mit seinem ungewöhnlichen Talent, der Malerei, unterschied er sich von ihnen. Dadurch hatte er etwas erkannt, was seine Standesgenossen erst noch begreifen mussten.
Er ließ ein paar eher zynische Bemerkungen fallen, dann ging er weiter, zog sich in die verhältnismäßig sicheren Kensington Gardens zurück. Zu der Zeit tummelten sich dort die Kindermädchen, die über ihre herumtollenden Zöglinge wachten. Nur wenige Herren ließen sich hier blicken; und kaum eine Dame der vornehmen Gesellschaft begab sich freiwillig hierher.
Gerrard hatte vor, über Lord Tregonnings empörendes Angebot nachzudenken, doch das Geschrei, das Lachen und Kreischen der Kinder lenkte ihn ab, brachte ihn auf ganz andere Gedanken.
Familie. Kinder. Die nächste Generation. Eine Frau. Eine gute Ehe.
Das alles, hatte er früher immer gedacht, würde er eines Tages haben; und es bedeutete ihm immer noch viel. Es war etwas, das er sich wünschte. Dennoch hatte ihm das Malen -besonders von Porträts - die Augen geöffnet. Das Talent, das es ihm ermöglichte, so atemberaubende Kunstwerke zu erschaffen, hatte ihm Vorsicht eingeflößt.
Vorsicht vor einer Ehefrau. Vorsicht vor der Ehe. Und vor allem vor der Liebe.
Es war nichts, worüber er gerne sprach; allein der Gedanke an Liebe reichte aus, dass er sich unbehaglich fühlte, fast so, als würde er damit das Schicksal herausfordern. Doch was er erkannt hatte - und was ihn gefesselt hatte -, als er das Bild von seiner Schwester Patience mit ihrem Ehemann Vane Cynster gemalt hatte, und auch später bei den anderen Paaren, die ihm Modell gesessen hatten, worauf er reagiert hatte und was er auf die Leinwand hatte bannen wollen, war so nachhaltig, dass er blind sein müsste, um nicht zu begreifen, welche Wirkung das auf sein Leben haben könnte: ihn beeinträchtigen, ihn ablenken. Vielleicht sogar die schöpferische Energie schwächen, die er brauchte, um seinen Werken Leben einzuhauchen.
Wenn er sich dieser Macht auslieferte.
Wenn er sich je verliebte, wäre er dann noch in der Lage zu malen? Würden das Verliebtsein und eine Liebesheirat, wie es seine Schwester und so viele andere seiner weiteren Familie getan hatten, ein Quell der Freude sein oder ein künstlerisches Desaster bedeuten?
Wenn er malte, gab er alles, was in ihm war, für das Kunstwerk - seine ganze Schaffenskraft, seine Leidenschaft; wenn er die Liebe zuließe, würde sie ihn austrocknen und sein Talent behindern? Gab es da eine Verbindung - war die Leidenschaft der Liebe dieselbe wie die, die hinter seiner Malerei stand? Oder waren das zwei ganz verschiedene Dinge?
Er hatte lange und scharf nachgedacht, war aber auf keine beruhigende Lösung gekommen. Malen war ein untrennbarer Teil von ihm; jede Intuition, die er besaß, ließ ihn heftig davor zurückscheuen, etwas zu tun, das seine Fertigkeiten einschränken könnte.
Daher zögerte er, wenn es ums Heiraten ging. Machte im Geiste einen Schritt
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