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Hauchnah

Hauchnah

Titel: Hauchnah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virna Depaul
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ihren Gedanken. Seine Fehleinschätzung drohte ihr den Rest ihrer schwer umkämpften Fassung zu rauben.
    „Sie kennen mich nicht. Sie wissen überhaupt nichts von mir.“ Sie rang nach Luft, wollte sich gegen sein plumpes Verhör wehren und die Ohren zuhalten. Instinktiv griff sie sich an den Hals und strich über die vom Angriff am Vorabend noch empfindliche Haut.
    Sie ließ die Hand sinken. Plötzlich konnte sie nur noch daran denken, die Detectives loszuwerden. Sie aus ihrem Haus zu jagen.
    Hab keine Angst wegen deines Isolationsbedürfnisses, riet Bonnie ihr oft. Nimm es an. Setz dir dein eigenes Tempo. Nimm dir Zeit, dich anzupassen, bevor du dich wieder der Welt aussetzt. Wenn du das tust, bleibst du in der Welt. Und zwar gern.
    Wieder einmal fragte sie sich, ob es Pragmatismus war oder Angst, die ihr Handeln beeinflusste. Im Moment war es gleichgültig.
    „Sie haben recht, ich kenne Sie nicht. Aber eines weiß ich. Wir haben Grund zu der Annahme, dass der Mann, der Lindsay Monroe umgebracht hat, derselbe ist, der Sie gestern Abend überfallen hat“, erklärte Mac erneut.
    Natalie sank in die Polster und griff sich wieder an den Hals. Spürte ihren flatternden Puls.
    „Er hat sie ermordet, ein sechzehnjähriges Mädchen, und ihreLeiche irgendwo abgelegt, wo Angler sie dann entdeckt haben“, führte Mac weiter aus.
    Sie atmete tief ein und strengte sich an, die Schatten der beiden Männer auseinanderzuhalten. Den zweiten hatte sie fast vergessen, doch jetzt trat er näher, während Agent McKenzie von den Anglern sprach, die Lindsay gefunden hatten.
    Beide waren groß. Agent McKenzie war ein paar Zentimeter kleiner, hatte aber breitere Schultern, und durch sein Auftreten wirkte er einschüchternder als der größere Mann an seiner Seite. Natalie stellte sich vor, dass die Leute ihnen sowohl im wie auch außerhalb des Berufslebens gern aus dem Wege gingen. Sie fühlte, wie ihre Blicke sie mit scharfer Wissbegier durchbohrten.
    „Ich bin Special Agent Jase Tyler, Ma’am. Sie hatten keine Ahnung, dass Lindsay ermordet wurde?“ Trotz seiner dringlichen Frage klang er entspannt und sprach mit deutlich gedehntem Akzent. Auf Anhieb stellte Natalie sich einen Cowboy vor, allerdings einen, der sich in einem Ferrari genauso wohlfühlte wie auf dem Pferderücken. Die Vorstellung erinnerte sie an etwas – ein Pferd? Ein Auto? Sie runzelte die Stirn, versuchte dann jedoch, sich zu entspannen. Es war nicht wichtig.
    Ein Mädchen im Teeniealter war getötet worden. Möglicherweise von demselben Mann, dessen Finger sie immer noch ekelhaft auf ihrer Haut spürte. Sie schüttelte den Kopf.
    „Nein … nein. Natürlich nicht. Ich weiß nicht einmal, wer Lindsay ist … war. Wann …?“
    „Ihre Leiche wurde vor einem Monat gefunden. Der Zeitpunkt ihres Todes liegt schätzungsweise vier bis acht Wochen davor. Wir haben ein paar Spuren, aber nach dem, was Ihnen gestern Abend zugestoßen ist, haben wir uns mehr erhofft.“
    „Wir haben gehofft, Sie könnten etwas gesehen haben, was uns hilft, Lindsays Mörder zu stellen“, erklärte Agent McKenzie.
    Vermutlich war sein vorwurfsvoller, enttäuschter Tonfall keine Absicht. Doch seine Worte klangen so.
    Hilflos. Nutzlos. Das war sie ohne Sehvermögen. Er hätte es genauso gut offen aussprechen können.
    „Kennen Sie jemanden, der Ihnen möglicherweise etwas antun will? Ein Freund? Ein früherer Mitarbeiter? Jemand, mit dem Sie sich im Supermarkt gestritten haben?“
    „Nein! Ich wüsste niemanden.“
    Zuerst bewegte sich sein Partner, dann Agent McKenzie selbst. Natalie wandte den Kopf von einem zum anderem, dann stockte ihr der Atem. Es war schwer, sich ein Gespür für beide zu bewahren, was ihr Unbehagen noch steigerte. Ihr Gefühl des Kontrollverlusts. Wenn ihr doch nur etwas einfiele, das ihnen weiterhalf, aber …
    „Das Kreuz“, erinnerte sie sich plötzlich. „Die Polizisten haben es entdeckt. Es muss wohl ihm gehören …“
    „Das werden wir prüfen, doch wir brauchen mehr. Vielleicht fällt Ihnen noch mehr ein. Sie schätzen, dass er etwa eins zwei- undsiebzig groß ist, mit muskulösem Körperbau. Sie haben ihn also angefasst?“
    „Mehr als das. Es ist zum Kampf gekommen. Oder besser gesagt: zu einem Gerangel.“
    „Hatte er langes Haar? Oder kurzes?“
    „Sehr kurzes. Beinahe einen Bürstenschnitt. Nichts, das ich greifen konnte.“
    „Sehen Sie, so ist’s gut. Das wussten wir nicht. Was ist mit Worten? Gerüchen? Ist Ihnen seine Stimme bekannt

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